10.03.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die »Stadt der Spitze« ist
auch im Schiffsbau spitze
Drei Fähren für Color Line sichern den historischen Werftstandort Rauma
Seppo lässt das Schweißgerät sinken, hebt die Brille und blickt durch den Raum, der einmal das Büffet-Restaurant werden soll. »Schade, dass dies schöne Schiff hier nur gebaut wird, unsere Stadt aber nicht wie einst mit der weiten Welt verbindet.«
Auf der Aker-Werft im finnischen Rauma entstehen derzeit gleich drei Fähren für die norwegische Reederei »Color Line«. Während die am Ausrüstungskai vertäute »Color Magic« ab September Kiel mit Oslo verbinden soll, werden »Superspeed 1« und »Superspeed 2« ab Dezember 2007 bzw. April 2008 vom dänischen Hirtshals in die norwegischen Orte Kristiansand und Larvik fahren. Für diese beiden Schiffe fand kürzlich die Fertigung der ersten Stahlplatten sowie die Kiellegung mit Platzierung einer Glücksmünze statt. Reeder Olav Nils Sunde löste beides per Knopfduck aus.
Doch während das Schneiden des Stahls mit Unterwasser-Laser »nur« ein violettes Licht erzeugt, hatte die Kiellegung geradezu bombastischen Charakter. Kaum war das tonnenschwere Rumpfteil zu Klängen von Jean Sibelius abgesenkt, zündete ein großes Feuerwerk, stiegen hunderte von bunten Luftballons in den Himmel über Rauma.
Davon bekam Schweißer Seppo tief im Inneren der »Color Magic«, wo Hämmer dröhnen, Tausende von Kabeln auf ihre Verknüpfung warten und statt edler Teppiche noch nackter Stahl das Bild bestimmt, nichts mit. Er wollte an diesem Tag allerdings auch rasch mit der Arbeit fertig werden, denn abends stand mit der Familie die Feier zum finnischen Kulturfeiertag an. Und die wird in Rauma sehr ernst genommen!
Die Stadt hat immerhin eine bewegte Vergangenheit, die sich sogar in einer eigenen Sprache widerspiegelt. Die Bürger von Rauma sprechen eine merkwürdige Mischung aus Finnisch und Schwedisch sogar mit deutschen Einsprengseln!
Das Herz von Rauma ist die seit 1991 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO stehende Altstadt. Sie ist der größte zusammenhängende, einheitlich erhaltene mittelalterliche Stadtkern Skandinaviens. Bunte Holzfassaden der gedrungenen Häuschen prägen das Bild, lediglich Kirche und Rathaus ragen daraus hervor.
Vier historische Museen erzählen die Geschichte der Stadt durch die Jahrhunderte. Rauma war ein wichtiger Handelshafen an der Ostsee, man hatte Verbindungen nicht nur ins nahegelegene Turku, sondern auch ins heutige Tallinn und nach Stockholm.
Das Rauma-Museum im Alten Rathaus am Marktplatz hat einen Flügel der traditionsreichen Rauma-Spitzen und ihrer Herstellung gewidmet. Einmal im Jahr feiert Rauma übrigens die Klöppelspitzenwoche, ein buntes Volksfest.
Zwei als Museen restaurierte ehemalige Privathäuser bieten aus unterschiedlichen Perspektiven Einblicke in die Rolle der Seefahrt für die Hafenstadt: Marela, die Stadtvilla eines reichen Reeders, und Kirsti, das Haus einer einfachen Seemannsfamilie (nur in den Sommermonaten geöffnet).
Schweißer Seppo sagt: »Rauma und Schiffe -Êdas gehört einfach zusammen. Gut, dass die Aker-Werft expandiert und wir hier auch neue Aufträge bekommen. Denn wenn eine unserer Schlüsselindustrien wegen des koreanischen Wettbewerbs kaputtgegangen wäre, dann wäre unser historisches Erbe nur noch die Hälfte wert. Denn satt hat es nur unsere Vorfahren gemacht. Wir müssen das moderne Finnland mit Leben erfüllen.«
Thomas Albertsen
www.rauma.fiwww.akeryards.com

Artikel vom 10.03.2007