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»Nachbarschaft,  das ist
füreinander da zu sein«

Scholle und deren Philosophie im Bauernhaus Museum

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Nachbarschaft gibt Sicherheit, Nachbarschaft ist ein Netzwerk, dass sogar Familie ersetzen kann, Nachbarschaft ist soziale Kontrolle, aber Nachbarschaft kann nicht verordnet werden,« sagt Bernhard Koppmann, Vorstandsvorsitzender der Freien Scholle. Für ihn ist »Genossenschaft Nachbarschaft« und so lautet auch der Titel der Ausstellung, die von Sonntag an im Bauernhaus Museum zu sehen ist: »Hier ist gut wohnen. Genossenschaft ist Nachbarschaft«.

Ursprung der Ausstellungsidee: Fotos und ein Film, die 1975 im Rahmen einer Examensarbeit von fünf Studierenden der Fachhochschule, darunter die heutige Leiterin des Bauernhaus Museums Dr. Rosa Rosinski, entstanden waren.
Für Koppmann steht fest: »Nachbarschaft muss gepflegt werden.« Vor alle gehe es dabei darum, füreinander da zu sein, nicht, »sich gegenseitig in die Kochtöpfe zu schauen«. Nachbarschaft lasse sich nicht verordnen.
Rosa Rosinski betont, dass sich die Freie Scholle seit ihrer Gründung 1911 darum bemüht habe, die Solidarität der Bewohner zu stärken und das nachbarschaftliche Miteinander zu fördern. Zudem habe die Freie Scholle immer auch wichtige Impulse für die Stadtentwicklung gegeben. Die Geschichte der »Scholle« von ihrer Gründung - das erste Haus wurde in der Bleichstraße errichtet - bis heute könne in der Ausstellung nachvollzogen werden. Aktuell voran getrieben werden Sanierung bzw. Neubau der Scholle-Siedlung Albert-Schweitzer-Straße. Michael Seibt: »Im Frühjahr ist Baubeginn für weitere Häuser - 85 neue Wohnungen entstehen dort, viele als Ersatz für alte.« Jede der elf Scholle-Siedlungen in Bielefeld mit ihren 5024 Wohnungen solle »Anonymität aufbrechen, dabei die Interessen der Bewohner ernst nehmen«. Hervorragendes Beispiel in den Augen von Rosa Rosinski: die Heeper Fichten. Die Museumsleiterin: »Dort gibt es ein blühendes Vereinsleben, das die Menschen zueinander führt. Und dort gibt es immer noch das Waschhaus, das über Jahrzehnte Treffpunkt geblieben ist.«
Die Freie Scholle hat 7500 Mitglieder, die alle Gemeinschaftseigentüme sind. Die durchschnittliche Quadratmetermiete (Nutzungsgebühr) beläuft sich auf 4,63 Euro - 1,5 Prozent davon fließen in soziale Dienstleistungen.
Ein Patenrezept für eine gute Nachbarschaft hat Bernhard Koppmann auch nicht. Aber er weiß, wie gute Nachbarschaft entstehen kann: »Erster Schritt kann ein Nachbarschaftsfest sein. Dort lernt man sich kennen. Und dann kann man sich auch gegenseitig helfen: ein Paket annehmen, mal auf die Kinder aufpassen, die Blumen gießen.«

Artikel vom 02.03.2007