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Sportsucht: Wenn das
Laufen krank macht

Bielefelder Wissenschaftler im koreanischen Fernsehen

Von Hendrik Uffmann
Bielefeld (WB). Sport ist gesund. Doch Sport kann auch zur Sucht werden - mit gravierenden körperlichen Schäden. Wie es dazu kommen kann, welche Folgen es für die Betroffenen gibt und wie man ihnen helfen dann, damit beschäftigt sich der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Schack von der Universität Bielefeld.

»Etwa ein Prozent der Bevölkerung und sieben Prozent der Menschen, die regelmäßig laufen, sind sportsüchtig«, sagt Thomas Schack, einer der weltweit anerkanntesten Experten auf diesem Gebiet. Am gestrigen Donnerstag war sogar ein Team des koreanischen Fernsehens an der Universität zu Gast, um einen Beitrag über den Bielefelder Wissenschaftler zu drehen. Denn in dem asiatischen Land ist die Sportsucht ein Phänomen, das immer häufiger auftritt.
Wie massiv sich die Sucht äußern kann, zeigt das Beispiel eines jungen Mannes. Nachdem dieser mit dem Joggen angefangen hatte, steigerte er sein Pensum auf mehrere Stunden täglich. Schließlich stellte er sich sogar den Wecker, um nachts zu laufen, joggte wöchentlich bis zu 230 Kilometer. Als er bei einer Untersuchung seine Schuhe auszog, waren diese blutig und an beiden Fußballen waren bereits die Knochen sichtbar. In anderen Fällen zerbrechen Familien und Freundeskreise, weil die gesamte Freizeit mit Sport ausgefüllt wird.
Die Auslöser für Sportsucht - meist geht es dabei ums Laufen oder den Muskelaufbau im Fitnessstudio - sind verschieden. Während man jedoch zunächst annahm, dass dafür das so genannte »Runners high« - die Ausschüttung des Glückshormon Endorphin durch die Anstrengung - verantwortlich ist, geht Schack von anderen Ursachen aus. »Es handelt sich um ein bio-psychosoziales Phänomen.«
Das bedeutet: Das Umfeld der Betroffenen ist der entscheidende Faktor. Junge Frauen unter 20 Jahren laufen meist, um abzunehmen und einem Schönheitsideal entsprechen können. Männer hingegen, erklärt Thomas Schack, seien häufig im Alter zwischen 40 und 50 Jahren betroffen. »Oft geht es dann im Beruf nicht mehr so voran, wie sie es sich wünschen. Die Erfolgserlebnisse beim Sport sollen dies dann kompensieren.«
Was allen Sportsüchtigen fehle sei die Fähigkeit, rechtzeitig mit dem Laufen aufhören zu können. »Die Süchtigen haben den Zwang, Sport zu treiben, obwohl sie merken, dass es nicht mehr gut tut.« Nach 24 bis 36 Stunden ohne Sport treten bei ihnen Entzugserscheinungen wie Kopf- und Magenschmerzen, Unruhe oder depressive Stimmungen auf. Um das Bedürfnis nach Sport auszulösen, reiche oft schon der Anblick von Turnschuhen.
Eine Therapie für Sportsüchtige, so Schack, gebe es bislang noch nicht. An der Fakultät für Sportwissenschaften der Bielefelder Uni hat er eine Methode zur Diagnose entwickelt und arbeitet auch an Verfahren, mit denen die Sportsucht bekämpft werden kann. Thomas Schack: »Was hilft, ist ein mentales Training, um den Sport-Zwang zu unterdrücken. Dies funktioniert etwa durch eine Konzentration auf andere Aufgaben.« Und dann ist es schon ein Erfolg, die Sporteinheit auf den nächsten Tag zu verschieben.

Artikel vom 02.03.2007