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Die Politik demontiert
eine wichtige Schulform

Pflegschaften der Gesamtschulen kämpfen gemeinsam

Von Matthias Meyer zur Heyde
(Text und Foto)
Schildesche (WB). Bielefelds Gesamtschulen planen einen Coup: Vor großem Publikum wollen sie der hohen Politik bei der Demontage dieser Schulform in den Arm fallen.

Anlass der für April geplanten Podiumsdiskussion mit den Bielefelder Landtagsabgeordneten ist die im Herbst beschlossene Kürzung der Schulleitungspauschale. »Damit werden alle in der Gesamtschule unternommenen Anstrengungen, die gesellschaftspolitisch enorm wichtig sind, torpediert«, sagte Gerald Defort, Schulpflegschaftsvorsitzender der Martin-Niemöller-Gesamtschule (MNG), beim Treffen der Pflegschaftsvertreter der Bielefelder Gesamtschulen (Schildesche, Stieghorst, Brackwede-Quelle und Rosenhöhe).
Ein Beispiel für alle: In der MNG bewältigen fünf Lehrer, darunter der Schulleiter, ein über den Unterricht hinausgehendes Pensum zur Organisation des Schulalltags. Diese Organisation verlangt von Gesamtschullehrern überdurchschnittlichen Einsatz, um die leistungsabhängige Fluktuation innerhalb des Kurssystems zu koordinieren. Zugunsten dieser Koordination erteilte das fünfköpfige Team bislang wöchentlich 65 »Entlastungsstunden« weniger Unterricht - jetzt aber darf es sich nur noch 40 Stunden anrechnen lassen. Ein Minus von fast 40 Prozent.
Die Schulpflegschaftsvertreter sind erbost, sehen sie doch die Gesamtschule weiter ins Hintertreffen geraten. Defort macht folgende Rechnung auf: Das Organisationsteam einer Hauptschule mit 350 Schülern darf eine Schulleitungspauschale von 21 Ausgleichsstunden in Rechnung stellen, das einer Realschule mit 500 Schülern 21,7 Stunden und das eines Gymnasiums mit 800 Schülern 28,6 Stunden. Macht zusammen 71,3 Stunden. Die angegebenen Schülerzahlen entsprechen exakt denen in den Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialzügen der MNG - wo die Schulleitungspauschale eben nur noch 40 Stunden beträgt.
»Im NRW-Schulministerium hat man offensichtlich bereits erkannt, dass hier Nachbesserungsbedarf besteht«, sagte Petra Schäfferling (MNG-Pflegschaft) über entsprechende Signale aus Düsseldorf. »Die Eltern haben ja auch ein eindeutiges Votum abgegeben: steigende Anmeldezahlen an allen Bielefelder Gesamtschulen, so dass 250 Jugendliche abgelehnt werden mussten«, ergänzte Christina Martin vom Vorstand der Stadtschulpflegschaft.
Man befürchtet einen schleichenden Bedeutungsverlust der Gesamtschule. »In den Empfehlungen, wohin der einzelne Grundschüler wechseln soll, fehlte die Gesamtschule - das wurde erst nach unseren Protesten geändert«, sagte Susanne Vormbrock-Hagen (Gesamtschule Quelle).
Die Kürzung der Schulleitungspauschale wird als weiterer Schritt zur Demontage der Schulform aufgefasst. »Und dass, obwohl wir an der Gesamtschule 73 Prozent Migrantenkinder aufnehmen - anderswo sind es oft höchstens 20 Prozent - und die Leistungsfähigkeit der Jugendlichen besser und flexibler fördern.«

Artikel vom 01.03.2007