01.03.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gold versinkt im Schnee

WM-Bronze: Angerer glücklich und traurig zugleich

Sapporo (dpa). Im Schneesturm von Sapporo zerstoben die Gold-Hoffnungen von Tobias Angerer schon vor dem Start, am Ende einer grandiosen Aufholjagd konnte der Bayer zumindest über Bronze jubeln.
Nach einem der unglaublichsten Rennen in der WM-Geschichte warf Deutschlands Top-Langläufer trotz des Happy Ends seine Ski zunächst wütend in die Ecke. »Ich bin glücklich über die Medaille, aber auch traurig, weil es ein perfektes Rennen war«, beschrieb Angerer seine gespaltenen Gefühle nach dem vom Wetter-Chaos beeinträchtigten 15-km-Rennen, in dem Biathlet Lars Berger aus Norwegen vor dem Weißrussen Leonid Karnejenko triumphierte.
Ausgerechnet die zum Schluss gestarteten Top-Läufer mussten gegen den plötzlichen Schneesturm ankämpfen und verloren bis zur Hälfte des Rennens viel Zeit. »Ich habe noch nie so viel Schnee gesehen. Ich habe alles versucht und hatte eine gute Moral, ich wollte diese Medaille unbedingt«, berichtete der Weltcup-Spitzenreiter aus Vachendorf, der im Ziel 52 Sekunden Rückstand hatte.
Bereits am Start hatte er sein Kämpferherz in beide Hände genommen. »Ich habe jeden Strohhalm ergriffen, den es in solch einer Situation gibt. Und ich hatte Glück, dass die Ski trotz der langsamen Neuschnee-Strecke gut waren«, sagte Angerer. Er hatte den entscheidenden Motivationsschub von Axel Teichmann erhalten, der Fünfter wurde. Franz Göring belegte Platz sieben. »Axel hat gesagt: Glaube an deine Chance und ziehe es durch«, sagte Angerer. Allerdings habe er erst an eine Medaille gedacht, als der Schneefall bei Kilometer 7,5 aufhörte. »Da habe ich gemerkt, dass ich Gas geben konnte.«
Auch Berger zollte Angerer Respekt. »Mit meiner Startnummer habe ich mich wie ein Lotto-Millionär gefühlt. Tobias ist der moralische Sieger«, erklärte der Norweger, der sich in 35:50,0 Minuten vor Karnejenko (+35,8 Sekunden) durchsetzte. »Den habe ich schon mal rumlaufen sehen«, scherzte Angerer über den völlig unbekannten Weißrussen. Bergers Leistung wollte der Deutsche nicht schmälern: »Er hat die Bedingungen perfekt genutzt und verdient gewonnen.« Dennoch fühlte sich Angerer benachteiligt und regte eine Regeländerung an: »Die besten Biathleten können sich aussuchen, in welcher Startgruppe sie starten wollen. Vielleicht sollte die FIS das auch im Langlauf einführen. So, wie es gelaufen ist, war es unfair.« FIS-Renndirektor Jürg Capol lehnte ab: »Bei diesem Modus ist nach dem 20. Starter die Spannung aus dem Rennen heraus«, sagte der Schweizer.
»Dann muss man eben einen Massenstart daraus machen, da haben alle die gleichen Chancen«, betonte Bundestrainer Jochen Behle. Auch er hatte unter normalen Umständen Angerer vorn gesehen. »Es wäre wohl zum Einlauf Angerer vor Teichmann gekommen. Um Platz drei hätten der Russe Legkow und Franz Göring gekämpft«, prognostizierte Behle.
Mit Humor nahm es Teichmann: »Wir sind eine Freiluftsportart. Der einzigen, der ein Vorwurf zu machen wäre, ist Frau Holle«, sagte der Bad Lobensteiner.

Artikel vom 01.03.2007