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Chefankläger
Luis Moreno-Ocampo

»Wer Gräueltaten begeht, kommt nicht straflos davon.«

Leitartikel
Darfur

Hoffen auf globale Gerechtigkeit


Von Reinhard Brockmann
Trotz des Freispruchs Jugoslawiens/Serbiens vom Vorwurf des Völkermords gewinnt die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag an Bedeutung.
Insbesondere die jüngsten Aussagen zum Vorgehen Sudans gegen sein eigenes Staatsvolk lassen aufhorchen. Staatsminister Ahmed Harun und der Djanjaweed-Anführer Ali Kushayb sollen sich jetzt den in Den Haag gegen sie vorliegenden Beweisen stellen.
Letztlich geht es um bis zu 300 000 Morde in der Westprovinz Darfur, wo die Zentralregierung aus Khartum furchtbare Rache an den Dörfern, sprich: Frauen und Kindern aufständischer Dafuris, übt. Srebenica, Ruanda, aber auch El Fasher und Kutum sind Orte von Massenmorden, die nur gesühnt werden, wenn sich die Weltöffentlichkeit nicht beirren lässt und fest zu ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit und Humanität steht.
Der schleichende Völkermord von Darfur findet außerhalb des Wüstenstaates Sudan kaum ein Echo. Nur wenige klagen das seit 2002 übliche Mordbrennen wenigstens politisch an. Bemühungen der UN verlaufen stets im Wüstensand. Dabei ist unstrittig, dass die islamistischen Militärs in Khartum arabische Reitermilizen bewaffnen und zum Beispiel in der Person des Staatsministers Ahmed Harun anstacheln, gegen bestimmte Stämme, darunter die Darfuris, vorzugehen. Inzwischen bekämpfen sich auch arabische Gruppen untereinander, selbst die »Befreiungs«-Bewegungen haben sich gespalten und praktizieren mehr Eigensucht als gemeinsame Sache. Landes-Kenner Thilo Thielke beobachtet einen »Krieg aller gegen alle«.
Alle, bis auf einen: Sudans Regierung hält sich mit eigenen Soldaten raus, tut aber alles dafür, dass das Stellvertretertreiben anhält. Die Aufstellung einer wirklich eingreifenden internationalen Schutztruppe scheiterte bislang. Kein Land der Welt wagt die Intervention gegen die Zentralgewalt. Im Gegenteil: Russland und insbesondere China halten die Hand schützend über den erwachenden Energie-Riesen.
Dennoch: Darfur ist der erste Fall, in den sich das Weltgericht ohne Zustimmung der Regierung einmischt. Genauso lautet die bei der Gründung auch gegen den Widerstand der USA formulierte Aufgabenstellung: die wahren Drahtzieher geächteter Verbrechen zu verfolgen, wenn sie, weshalb auch immer, nicht vor ein nationales Gericht gestellt werden. Schließlich erlebte weder Hitler noch Stalin oder Mao die Schmach, vor einen Richter treten zu müssen.
Inzwischen mussten Saddam Hussein, Slobodan Milosovic, Augusto Pinochet, Pol Pot und viele andere Gerichtsschranken unterschiedlichster Art erleben. Auch wenn die Verfahren selten unseren exakten Rechtsvorstellungen entsprachen, schwang stets der Zwang zu Verantwortung mit. Auch wurde den unzähligen Opfern Genüge getan.
Vor allem aber schwang die Botschaft mit: Kein Gewaltherrscher kann sich hinter Palastmauern und Leibwächtergarden auf alle Zeit unerreichbar wähnen.

Artikel vom 01.03.2007