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Die wilden Jungs in den Griff
bekommen und auch behalten

Härtere Bandagen im Umgang mit minderjährigen Straftätern kommen

Von Reinhard Brockmann
Berlin (WB). Für Brigitte Zypries (SPD) war es eine Verbeugung nach rechts, für die Union beileibe zu wenig: Die neue harte Linie der großen Koalition gegenüber jungen Straftätern nimmt Formen an.
Die Kripo Einheit »AG Jaguar« wird in der Wiesbadener Szene schon mal mit Breakdance begrüßt. Dabei ist Prävention das Eine. Schwierig wird es, wenn Jugendliche schwere Straftaten begehen.

Die Bundesjustizministerin hatte am Wochenende erstmals zu erkennen gegeben, dass Resozialisierung bei ganz schweren Jungs womöglich zwecklos ist. Dann wäre Sicherungsverwahrung nach Absitzen der Haftzeit selbst im Jugendstrafrecht geboten. Der Bruch mit dem Jahrzehnte geltenden Glaubenssatz des Strafvollzugs rief prompt die üblichen Warner und Mahner auf den Plan. »Der Vorschlag ist populistisch. Wegsperren ist der falsche Weg«. machte der Vorsitzende des Richterbundes, Wolfgang Arenhövel, mit der bloßen Ankündigung eines Berliner Gesetzentwurfs schon kurzen Prozess.
Die NRW-CDU sattelte, allerdings nur im Rahmen ihrer Programmdebatte, noch ordentlich drauf: »Erziehungscamps«, »Geschlossene Heime«, »Nachsitzen für schlechte Eltern« lauten die Stichworte beim nächsten Landesparteitag. Dort soll es vor allem um wilde Jungs jünger als 15 gehen, deren amtliche Erzieher ratlos aufgesteckt haben. »Gerade bei jungen Straftätern müssen wir härter durchgreifen, um sie auf den richtigen Weg zurück zu bringen. Deswegen gilt: Null Toleranz«, erklärte CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst gestern in Düsseldorf.
Wenig überraschend nimmt die neue harte Linie ihren Ausgangspunkt weder am Rhein noch an der Spree, sondern vielmehr in Bayern. Der Fall des Martin P., der als 18-Jähriger mit 70 Messerstichen tötete, nach zehn Jahren freikam und wenig später wiederum ein Kind bestialisch missbrauchte, brachte den Stein ins Rollen. Aber nicht Innenminister Günther Beckstein (CSU), sondern Justizministerin Beate Merk (CSU) vertritt seit dem Rückfall im Februar 2005 konsequenter als der Rest der Republik die Opferperspektive - für Viele eine ganz neue Sicht.
»Ist nicht jedes Kind, das gerettet werden kann, es wert, diese Möglichkeit zu installieren?« Merk kontert den Haupteinwand, dass es bei bundesweit 6600 jugendlichen Strafgefangenen um eine vielleicht zweistellige Zahl von Fällen geht. Kein Gutachter könne diese Restgruppe zuverlässig einschätzen, heißt es. Der Merk-Satz dagegen lautet: Schon eine verhinderte Gewalttat lohne den großen Aufwand.
Als CDU-Linie könnte sich bald die NRW-Forderung herauskristallisieren, wonach das Jugendstrafrecht künftig generell nicht mehr bis zum 21. Lebensjahr angewandt wird. Damit käme die seit 1998 dreimal verschärfte Regelung zur Sicherungsverwahrung im Erwachsenenstrafrecht automatisch zum Tragen - Martin P. wäre womöglich bis heute nicht frei.
Geschlossene Heime und Erziehungscamps gelten nach den NRW-Überlegungen, die gestern bekannt wurden, ausdrücklich als »letztes Mittel«. Das steht im Leitantrag des CDU-Landesvorstands für den Parteikonvent am 5. Mai. »Gewalttäter, auch wenn sie erst 12, 13 oder 14 Jahre alt sind, dürfen nicht mehr ungehindert andere Menschen terrorisieren«, sagte Generalsekretär Wüst vor der Landespressekonferenz. »Wir müssen viel häufiger mit dem eisernen Besen kehren und für Recht und Ordnung sorgen«.
Als bekanntermaßen wirksam hat sich das Fahrverbot im Jugendstrafrecht längst erwiesen, jetzt soll es ausdrücklich in den Katalog aufgenommen werden. Auch Raben-Eltern, denen Erziehung unwichtig ist, droht der lange Arm des Gesetzes. In Erziehungsseminaren könnte ihnen beigebogen werden, wo es lang geht. Womöglich wollten solche Eltern wirklich wissen, wie sie ihre missratenen Kindern doch noch auf die rechte Bahn lenken können, heißt es dazu aus Düsseldorf.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach, sekundiert mit starken Worten. Die »sexuelle Verwahrlosung« von Kindern und Jugendlichen im Elternhaus müsse Konsequenzen haben. »Es ist nicht akzeptabel, wenn Eltern ihren Kindern aktiv ermöglichen, gewaltverherrlichende oder pornographische Filme zu konsumieren. Ein solches Verhalten darf nicht toleriert werden.«

Artikel vom 27.02.2007