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Papp-Schalen sind nichts wert

Die kritische Saisonphase des Meisterschafts-Kandidaten FC Schalke 04

Von Klaus Lükewille
Gelsenkirchen (WB). Meister. Endlich wieder Deutscher Meister. Nach 49 langen Jahren. Davon träumen, schwärmen und reden sie beim FC Schalke 04 nun schon seit Wochen. 2007 soll es wieder so weit sein. Oder doch nicht?

Nach dem 0:1 gegen Bayer Leverkusen, der ersten Heimniederlage des Bundesliga-Tabellenführers, forderte Zlatan Bajramovic: »Die Fans müssen ihre Schalen einpacken. Das geht mir schon lange auf die Nerven.« Die silberne Papp-Präsentation irritiert im Lager der »Königsblauen« nicht nur den Mittelfeldmann. Denn es gibt immer mehr Anzeichen, dass sie beim Abpfiff der laufenden Saison die richtige Schüssel wieder nicht in die Hand nehmen dürfen.
Zum Greifen nahe - oder doch daneben? Wie 2001? Wie 2003?
Mit dem 0:1 gegen Leverkusen ging eine stolze Serie zu Ende, seit 13 Spielen waren die Schalker ungeschlagen. »Aber das kann passieren, man kann auch mal verlieren«, sagte Bajramovic. Was ihn viel mehr ärgerte: Die Rote Karte, die der Kollege Lincoln in der »dritten Halbzeit« nach einer Handgreiflichkeit gegen Bernd Schneider sah: »Das war saublöd, das war total dumm.«
Die Entschuldigung des Brasilianers hilft auch keinem mehr: »Es tut mir Leid für die Mannschaft, das hätte mir nicht passieren dürfen«, sagte Lincoln kleinlaut. Aber es war ja nicht die erste Entgleisung des Schalker Spielmachers. 2005, im Ligapokal, sah er nach einer Spuckattacke gegen den Stuttgarter Thomas Hitzlsperger ebenfalls »Rot« und wurde für vier Wochen gesperrt. So lange muss der Wiederholungstäter jetzt auch auf die Strafbank - mindestens.
»Wir werden mit ihm reden«, kündigte Manager Andreas Müller an. Das heißt: Lincoln bekommt wohl eine vereinsinterne Geldstrafe aufgebrummt. Trainer Mirko Slomka würde ein solches Urteil sicher befürworten: »Dieser Ausfall tut uns sehr weh. Sein Verhalten war absolut inakzeptabel, ich bin sehr erbost.«
Sauer auf Lincoln, verbittert über eine weitere schlechte Nachricht: Mladen Krstajic wird nach seinem Rippenbruch mehrere Wochen fehlen.
Der Regisseur gesperrt, jetzt bereits sieben wichtige Spieler auf der Langzeit-Verletztenliste - und entscheidende Tore in den letzten Minuten gegen Wolfsburg und Leverkusen kassiert. Schlottert Schalke etwa schon? Wird der Meisterschaftsanwärter nervös?
Das dementieren die »Königsblauen« selbstverständlich ganz entschieden. Wie Müller: »Wir sind stabil genug.« Oder wie Slomka: »Wir stellen auch ohne Lincoln ein Top-Team. Außerdem haben wir ja noch ein paar Pünktchen Vorsprung.« Sieben hätten es bei einem 1:0-Sieg sein können, jetzt sind es nur noch vier Zähler.
Eine ganze Menge, findet Hamit Altintop: »Dieses Polster lassen wir uns so schnell nicht nehmen.« Marcelo Bordon macht das außergewöhnlich große Verletzungspech zwar nachdenklich, der Kapitän ist aber ebenfalls trotzdem zuversichtlich: »Wir müssen ruhig bleiben und Freitag das Heimspiel gegen den Hamburger SV gewinnen. Dann läuft es schon wieder.«
Erste Durchhalte-Parolen? Denn auf Schalke wissen sie alle: Die Liga ist an der Spitze und im Keller in ihrer kritischen Phase, jetzt werden wichtige Weichen gestellt. Und Bajramovic hat Recht. Silberne Meisterschalen aus Pappe glänzen zwar, aber sie sind nichts wert. Gar nichts.

Artikel vom 27.02.2007