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Regisseur Florian Henckel von
Donnersmarck

»Das ist auch ein Erfolg für Deutschland und nicht nur für mich.«

Leitartikel
Oscar für Stasi-Drama

Deutsches
Kino erreicht
Weltniveau


Von Dietmar Kemper
Die DDR ist Geschichte, aber im Film lebt sie aufrüttelnd weiter. Das Drama über die zerstörerische Kraft des Staatssicherheitsdienstes, der im »Leben der Anderen« herumschnüffelte, erhielt in der Nacht zum Montag in Hollywood den Oscar als bester fremdsprachiger Film. Gleich mit seinem Regie-Debüt erklomm Florian Henckel von Donnersmarck den Kino-Olymp.
Dass die wichtigste Filmtrophäe nach Deutschland geht, ist so selten wie das Edelweiß. In 80 Jahren war dies lediglich drei Mal der Fall: Volker Schlöndorff erhielt den »Goldjungen« 1980 für die Verfilmung der »Blechtrommel« von Günter Grass, Caroline Link 2003 für »Irgendwo in Afrika«. Jetzt durften Henckel von Donnersmarck aus Köln und die Szenenbildnerin Silke Buhr aus Löhne jubeln - ein bisschen vom Oscar-Glanz fällt auch auf Ostwestfalen.
Deutschlands dramatische Geschichte mit zwei Diktaturen im 20. Jahrhundert ist gewissermaßen preisverdächtig. Das zeigte sich in den vergangenen Jahren sowohl bei Bernd Eichingers »Der Untergang« (2004) über Hitlers letzte Tage im Führerbunker als auch bei »Sophie Scholl - die letzten Tage« (2005) unter der Regie von Marc Rothemund. Der Streifen mit Julia Jentsch als studentischer Widerstandskämpferin Sophie Scholl räumte den Europäischen Filmpreis ab und wurde, letztlich allerdings erfolglos, als bester fremdsprachiger Film für einen Oscar nominiert.
Diesmal führte an der packenden Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit kein Preis vorbei. Im Vorfeld der Oscar-Verleihung lobten US-Filmkritiker übereinstimmend, die Geschichte vom Spitzel, der einen Theaterautor beschattet, dabei eine neue, freie Welt kennenlernt und langsam vom Gegner zum Helfer mutiert, sei spannend und eindrucksvoll erzählt und wirke authentisch.
Genau das ist die Stärke deutscher Filmemacher: Ihnen eilt inzwischen international der Ruf voraus, die jüngere deutsche Geschichte aufrüttelnd, facettenreich und psychologisch tiefgründig zu inszenieren. »Good bye, Lenin!«, die Tragikomödie von Wolfgang Becker aus dem Jahre 2003 steht als ein weiteres Beispiel für diese Kunst. Die Geschichte über die ostdeutsche Familie Kerner, in deren Wohnung trotz der »Wende« die DDR mit Mocca Fix Gold und Rotkäppchensekt krampfhaft aufrecht erhalten wird, um die schwer kranke Mutter zu schonen, gewann den Europäischen Filmpreis und den Golden Globe.
Amerika, das sich als Hüterin der Freiheit wähnt, verfolgt Filme über Diktaturen mit besonders großem Interesse. Unter den Anwärtern für die Oscars befanden sich diesmal erneut fast ausschließlich Dramen: In ihnen werden Menschen oder wie bei »Eine unbequeme Wahrheit« die Umwelt unterdrückt. Vorbei scheinen die Zeiten, als Hollywood Effektfeuerwerke wie »Herr der Ringe III« (2005) oder die im antiken Rom spielende Kampforgie »Gladiator« (2003) bevorzugte. Die politische Ausrichtung der Filmakademie begünstigte den Erfolg von »Das Leben der Anderen«.

Artikel vom 27.02.2007