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Horror-Videos sollen Menschen retten

Mit schockierenden Bildern will Güterslohs Polizei Autofahrer zum Umdenken bewegen

Von Christian Althoff
Borgholzhausen (WB). Ein Kind wird durch die Windschutzscheibe geschleudert, eine Frau gegen eine Betonwand katapultiert: Als erste Behörde in Nordrhein-Westfalen versucht die Polizei im Kreis Gütersloh, Raser und Gurtmuffel mit schockierenden Videos zum Umdenken zu bewegen.

»Die Bilder sind sehr drastisch und bleiben den Menschen besser im Gedächtnis als unsere üblichen Appelle«, sagt Polizeirat Gerhard Wolf, Leiter der Direktion Verkehr bei der Kreispolizei Gütersloh.
Gestern morgen an einer Durchgangsstraße in Borgholzhausen. Polizeioberkommissar Lutz Peisker winkt einen VW Buli auf einen Parkplatz. Am Steuer sitzt ein 63 Jahre alter Herforder - ohne Gurt. 30 Euro muss er zahlen, dann wird der Mann gefragt, ob er bereit sei, sich freiwillig einen kurzen Film anzusehen. Der Herforder stimmt zu, und Verkehrssicherheitsberaterin Ellen Haase startet auf ihrem tragbaren Computer eine DVD. Der Film zeigt ein gutgelauntes, junges Paar, das nachts mit dem Auto unterwegs ist. »Sie wird ihn bald verlassen, aber er weiß es noch nicht«, sagt ein Sprecher aus dem Off. »Sie weiß es auch noch nicht«, fährt der Sprecher fort. Dann bremst der Mann, seine Freundin wird durch die Windschutzscheibe geschleudert und ist tot.
Die harten Bilder haben den Autofahrer aus Herford sichtlich beeindruckt. »Wenn man sieht, was passieren kann - es war falsch, dass ich ohne Gurt gefahren bin«, gibt der 63-Jährige zu, bevor er nachdenklich zu seinem Wagen geht.
Von den 26 Autofahrern, die 2005 im Kreis Gütersloh ums Leben gekommen waren, hatten 13 ihren Gurt nicht angelegt. »Etliche von ihnen könnten noch unter uns sein, denn der Gurt ist im Straßenverkehr Lebensretter Nummer eins«, sagt Ellen Haase, die 80 Kino- und Radiospots zusammengetragen und auf einer DVD gespeichert hat. Ob Telefonieren am Steuer, zu schnelles Fahren, Unachtsamkeit im Fußgängerverkehr - für jedes Fehlverhalten kann die Hauptkommissarin auf das passende Video zurückgreifen. So führte sie gestern einer Mutter, die ebenso wie ihre kleine Tochter unangeschnallt im Auto saß, einen Spot aus Österreich vor, in dem ein Elternpaar plötzlich alleine im Auto sitzt - weil das Kind gerade durch die Scheibe geflogen und tödlich verletzt worden ist. »Die meisten Spots stammen aus dem europäischen Ausland und sind dort im Auftrag von Regierungen oder Sicherheitsorganisationen produziert worden«, erklärt die Polizeibeamtin. Die Filme seien »kurz, hart und prägnant«.
»Wir wollen weniger Tote und Verletzte, und dazu können solche eindrücklichen Videospots beitragen. Denn sie wirken viel länger als die Ermahnung eines Polizeibeamten«, sagt Iris Fourné, Sprecherin im nordrhein-westfälischen Innenministerium.
Und damit Autofahrer die Spots nicht als bloße Fiktion abtun, hat Ellen Haase auch noch ein paar großformatige Polizeifotos zur Hand, die die Wirklichkeit zeigen. Wie jenen Unfall, bei dem im August 2005 in Rheda-Wiedenbrück fünf junge Menschen gestorben waren, die unangeschnallt mit einem Opel Corsa verunglückt waren. Ellen Haase: »Solche schockierenden Bilder tun manchem Autofahrer mehr weh als das Bußgeld, das er zahlen muss. Und darin liegt die Chance, dass er sein Verhalten ändert.«

Artikel vom 27.02.2007