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Alle fragen nur »Warum?«

Polizei hat heiße Spur zu Mitjas Mörder - 200 Beamte auf der Suche

Leipzig (dpa). Vier Tage nach dem Mord an dem neunjährigen Mitja aus Leipzig ist die Polizei dem mutmaßlichen Täter möglicherweise dicht auf den Fersen.

Nach neuen Hinweisen war die Suche nach dem verdächtigen Uwe Kolbig gestern massiv ausgeweitet worden. Der wegen Mordes gesuchte 43-Jährige soll Mitja am Donnerstag sexuell missbraucht und erstickt haben. Die Leiche war am Samstag in einer Laube nahe Leipzig gefunden worden.
Seit Veröffentlichung eines Fahndungsfotos von Kolbig gingen bei der Polizei mehr als 50 Hinweise zum Aufenthaltsort ein. Daraufhin war die Suche vom Wohnort des mutmaßlichen Täters und Fundort der Leiche in Schkeuditz in das benachbarte Lindenthal verlagert worden. Mehr als 200 Beamte durchsuchten ein Wäldchen und eine Gartenanlage in dem Leipziger Vorort. Dabei kamen erneut Fährtenhunde und ein Hubschrauber zum Einsatz.
»Die Spürhunde haben eine Fährte aufgenommen, der wir nun folgen«, sagte ein Polizeisprecher. Ein Zeuge wollte gesehen haben, wie der Gesuchte zu Fuß unterwegs war. Der Tatverdächtige war bereits 1998 wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden.
Mitjas Familie wird an einem geheimen Ort psychologisch betreut. Es gebe tägliche Gespräche mit einem für solche Fälle geschulten Psychologen, der der Familie jederzeit zur Seite stehe, sagte eine Sprecherin. Auch die Schulkameraden wurden von Seelsorgern und Polizeipsychologen betreut.
Der Hallenser Rechtspsychologe Steffen Dauer wies darauf hin, dass Sexualstraftäter beim Ausleben ihrer Neigungen die Zutraulichkeit von Kindern gezielt ausnutzen. »Der Täter nimmt sich bewusst ein Kind, das beim ersten Kontakt positiv reagiert«, sagte der Vorsitzende der Sektion Rechtspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Der Täter nutze die kindliche Neugier und Offenheit in der Entwicklungsphase. »Ein Kind von neun Jahren denkt nicht daran, dass ihm ein Mensch etwas Böses tun könnte.«
Nach Auffassung des Wiesbadener Kriminalpsychologen Rudolf Egg sind pädophile Neigungen nicht heilbar: »Durch eine Behandlung können wir die Abweichung höchstens unter Kontrolle bekommen.« Ein Ersttäter bringe in der Regel kein Kind um. »Ein Verbrechen wie im Fall des neunjährigen Mitja ist das Delikt eines Rückfälligen.« Er kritisierte Forderungen von Politikern, Täter lebenslang wegzusperren, als Populismus. Die Zahl der Sexualstraftaten sei rückläufig.
Der Mord an Mitja hat bei Anwohnern große Betroffenheit ausgelöst. Viele zündeten am Elternhaus und am Fundort der Leiche Kerzen an und legten Plüschtiere und Briefe ab. Mitschüler legten Blumen an seinem Platz nieder. Viele fragen nach dem »Warum«. Eltern brachten ihre Kinder selbst zur Schule. Viele hatten Tränen in den Augen.

Artikel vom 27.02.2007