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Kassenpatienten
warten oft länger

Ärzte sind auf »Private« angewiesen

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Kassenpatienten müssen oft länger auf einen Arzttermin warten als Privatversicherte. Die Ergebnisse einer bundesweiten Studie der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) mag Dr. Claudia Kramer, Bezirksstellenleiterin der Kassenärztlichen Vereinigung, für Bielefeld nur eingeschränkt teilen.

»Ich gehe nicht davon aus, dass Kassenpatienten in Bielefelder Praxen deutlich länger auf eine Behandlung warten müssen«, sagt die niedergelassene Neurologin. Bei Notfällen würden überhaupt keine Unterschiede gemacht. Keiner der rund 600 Mediziner mit Kassenzulassung in Bielefeld sei aber verpflichtet, seine Arbeitszeit zu hundert Prozent den gesetzlich Versicherten zur Verfügung zu stellen.
Hartmut Baumgärtner, Regionaldirektor der Bielefelder Innungskrankenkasse (IKK), betont, Beschwerden über die Bevorzugung von Privatpatienten seien in Bielefeld Einzelfälle. »Wir hören aber, dass einige unserer Versicherten sehr lange auf einen Behandlungstermin warten müssen.« Dies gelte vor allem für Augenärzte und Orthopäden.
In gut organisierten Praxen würden die Behandlungszeiten oft aufgeteilt, erläutert Kramer. Von 40 Stunden stünden zum Beispiel 32 für Kassenpatienten zur Verfügung, acht Stunden für Privatversicherte. Da könne es passieren, dass ein Privatpatient schneller zum Zuge komme.
Kramer verteidigt dieses Vorgehen: »Mit den Einnahmen aus der Behandlung seiner Privatpatienten muss ein Arzt seine Praxis oft quersubventionieren, sonst trägt sie sich nicht.«
Bundesweit kommen 87 Prozent der ärztlichen Honorare aus dem Topf der gesetzlichen Krankenversicherung, der Rest von den Privaten. Eine Zahl, die nicht auf Bielefeld zutreffe, sagt die Vertreterin der Kassenärztlichen Vereinigung. In einer Großstadt müssten die Ärzte oft mehr Privatpatienten behandeln, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Diese »Optimierungstendenzen« beobachtet auch Baumgärtner: »Für die gleiche Behandlung kann ein Arzt bei einem Privatpatienten bis zum 3,5-fachen Satz der gesetzlichen Versicherung abrechnen.«
Baumgärtners Empfehlung für Kassenpatienten, die sich benachteiligt fühlen: Im Zweifelsfall ruhig bei der Kasse melden. Es sei aber leider systembedingt, dass gesetzliche Versicherte »Serviceeinschränkungen« hinnehmen müssten. Ein Ausweg: Der Kassenpatient wählt die Kostenerstattung, zahlt dem Arzt das Privathonorar und holt sich von seiner Kasse den gesetzlichen Anteil zurück. Doch diese Lösung kommt wohl eher nur für gut verdienende freiwillig Versicherte in Betracht.

Artikel vom 28.02.2007