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Spektakulär eindringlich

Premiere von Giuseppe Verdis Oper »Aida« am Stadttheater

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Stadion oder Stadttheater? Ganz egal in welchem Rahmen Giuseppe Verdis meist gespielte Oper »Aida« auf die Bühne kommt -Êein Kassenschlager springt mit ziemlicher Sicherheit immer dabei heraus.

Die magische Anziehungskraft macht es dem modernen Regietheater aber auch nicht eben leicht, eine zeitgemäße Neuinterpretation eines Werkes zu bieten, das dermaßen stark mit Klischees beladen ist. Am Stadttheater Bielefeld ist die Gratwanderung zwischen Spektakel und Exotik auf der einen sowie Intimität und unmöglicher Liebe auf der anderen Seite gelungen -Êauch wenn sich Regisseur Leonard C. Prinsloo für seinen bitterbösen Vorbeimarsch der Kriegsgewinnler und ihrer Folter- und Vergewaltigungsopfer einige Buh-Rufe vom Premierenpublikum einfing.
Zu Unrecht, denn Prinsloos Triumphmarsch-Szene gehört mit zu den eindringlichsten Bildern der Inszenierung. Die stereotyp und perfekt choreografierte Masse steht dabei abseits jeglicher Verklärung für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Phänomen Krieg. Prinsloo zeigt die damit einhergehende Verrohung des Menschen, seine primitive Gier und Abkehr moralischer Bedenken. Der Zwischenruf »Provinzposse« zeugt daher weniger von Verstand als vielmehr für eine Rezeptionshaltung, die sich aus touristischen Ägypten-Klischees und opulenten Open-Air-Vorstellungen zu speisen scheint.
Aber gerade damit versteht der Südafrikaner Prinsloo vorzüglich zu spielen. Die als monumentaler Mummenschanz hinterm Gazevorhang nachgespielte Schlacht zwischen dem ägyptischen und äthiopischen Feldherrn steht beispielhaft dafür, auf welch subtile Art die visuelle Überfrachtung einschlägiger Arenen-Darbietungen hier parodiert wird.
Gleichwohl braucht's das große Tableau, um die tragische Spannbreite zwischen Staatsräson, klerikalen Machtstrukturen und privatem Glück zum Ausdruck zu bringen. Bühnen- und Kostümbildner Christof Cremer ersann dazu unter Ausnutzung von Vorder- und Hinterbühne eine gradlinige, nach oben strebende Architektur, die dem Machtanspruch Rechnung trägt. Sie bietet den nötigen Platz für die Massen- und Kultszenen und lässt das Individuum darin klein und verloren erscheinen.
Die einzelnen Interessengruppen markiert er farblich voneinander abgegrenzt. Lange, ausladende Röcke mit militärischem Camouflage-Muster schlagen eine Brücke vom Historismus zum Heute. Und obgleich Prinsloo und sein Ausstatter die Stimmung stets changieren lassen zwischen Parodie und Ernst, wird das Auge durchaus mitbedient, wenn die fatale Dreiecksgeschichte zwischen Aida, Radames und Amneris ihren Lauf nimmt.
Musikalisch ist diese Inszenierung zudem bestens aufgestellt. Mit Melba Ramos steht eine ebenso stimm- wie ausdrucksstarke Sopranistin zur Verfügung, die die nötige Aida-Lyrik und Tragik scheinbar mühelos hervorbringt, ja Trauer und Zerrissenheit mit jedem Ton und jeder Geste verkörpert. Sonja Borowski-Tudor ist ihr als Amneris eine würdige Gegenspielerin, die die Gefühlsskala zwischen Eifersucht, Hass und Reue virtuos ausspielt -Êmit gesanglichem Furor bis hin zu zartem Schmelz. Auch darstellerisch gelingt ihr die Wandlung von der berechnenden Intrigantin zur reumütig Mitfühlenden grandios.
Als italienischer Belcanto von Format empfiehlt sich Ki-Chun Park in der Rolle des Radames. Einzig sein Spiel wirkt neben den beiden starken Frauen etwas steif.
Mit sattelfestem, abgrundtiefem Bass unterstreicht Jacek Janiszewski seine Autorität als Oberpriester, Michael Bachtadze glänzt als Amonasro mit Stimmkraft und umwerfendem Schmelz und Monte Jaffe gibt einen überzeugenden den König ab. Betörend auch das von Peter Kuhn auf Raumklang gestimmte Philharmonische Orchester mit gegenüber aufgestellten ersten und zweiten Geigen sowie Aida-Trompeten von den Emporen. Zwischen Lyrik, Leidenschaft und schneidender Schärfe in den Massenszenen (präzise und klanggewaltig der von Hagen Enke einstudierte Chor) formt Kuhn die Musik zu einem packenden Drama.

Artikel vom 26.02.2007