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Afghanistan statt Irak -
Wechsel der Strategie?

Die britische Regierung setzt neue Schwerpunkte

London (dpa). Nach der Ankündigung eines Teilabzuges britischer Streitkräfte aus dem Irak hat das Verteidigungsministerium in London die Entsendung zusätzlicher Soldaten nach Afghanistan bekannt gegeben.
Die jüngste Entscheidung der Regierung von Tony Blair wirkt wie die Umsetzung eines lange geforderten Strategiewechsels: Hochrangige Offiziere hatten sich für einen Abzug aus dem Irak und die Konzentration auf Afghanistan ausgesprochen. Eine Verknüpfung solcher Truppenbewegungen wurde von der Regierung bisher stets verneint. Viele Parlamentsmitglieder sehen das jedoch anders.
Wie viele zusätzliche Soldaten nach Afghanistan geschickt werden sollen, ist noch unklar. Verteidigungsminister Desmond Browne will erst heute das Parlament über alle Einzelheiten informieren. Medienberichten zufolge sollen mehr als 1000 Mann entsandt werden. »Wir sind uns überaus bewusst, dass unsere Streitkräfte weiter mit hoher Einsatzstärke arbeiten, aber wir glauben, dass dieser zusätzliche Einsatz machbar ist«, erklärte Browne. Erst am Mittwoch hatte Blair den Abzug von 1600 der insgesamt 7100 britischen Soldaten aus dem Irak bekannt gegeben. Bis zum Spätsommer soll die Zahl dann auf unter 5000 verringert werden.
Die zusätzlichen britischen Soldaten für Afghanistan sollen im Frühling in der besonders umkämpften Provinz Helmand stationiert werden, wo der Widerstand von Taliban-Kämpfern am größten ist. Insgesamt sind bereits 5000 britische Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Die Entscheidung sei nach gescheiterten Versuchen gefallen, Unterstützung anderer NATO-Staaten zu erhalten, so Browne.
Die jüngste Verfügung dürfte denen gefallen, die schon vor Monaten den Kampf an zwei Fronten - im Irak und Afghanistan - deutlich kritisiert hatten. Der frühere Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte, Peter Inge, befürchtete, »dass wir ein Scheitern unseres Einsatzes riskieren, wenn wir in Afghanistan nicht vorsichtig sind«. Zugleich warf der Feldmarschall dem Westen vor, weder in Afghanistan noch im Irak eine klare Strategie zu haben.
Generalstabschef Sir Richard Dannatt nannte die Irak-Politik der Labour-Regierung »naiv« und forderte einen Truppenabzug. Die britischen Streitkräfte seien im Irak nicht willkommen, weil sie 2003 »die Tür eingetreten« hätten. »In Afghanistan ist unser Status ein vollkommen anderer, da wir dort auf Einladung von Präsident Hamid Karsais Regierung sind. Ich bin optimistisch, dass wir es dort richtig hinbekommen werden«, erklärte der General weiter.
Es gebe außerdem moralische und logistische Gründe, sich auf die Mission in Afghanistan zu konzentrieren: »Unsere Truppen sind bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit im Einsatz.« Der Kommandeur der britischen Streitkräfte in Afghanistan, Brigadegeneral Ed Butler, machte zudem den Irak-Einsatz für die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan mitverantwortlich. Ohne den Irak-Einsatz hätten britische Soldaten viel früher dazu beitragen können, die Sicherheit in Afghanistan herzustellen.
Die Opposition sieht sich durch die neuesten Truppenpläne bestätigt: Der Kampf an zwei Fronten habe die Streitkräfte »überdehnt«. Die Liberaldemokraten forderten, alle britischen Truppen aus dem Irak abzuziehen und sich ganz auf Afghanistan zu konzentrieren.
Eine nicht näher genannte Quelle aus dem britischen Verteidigungsministerium erklärte, es handele sich bei der Truppenverlagerung »wirklich um einen Zufall«. Es gebe keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Abzug aus dem Irak und der Stationierung in Afghanistan. Es müssten mehr Truppen nach Afghanistan geschickt werden, um weiterhin Erfolge zu erzielen.

Artikel vom 26.02.2007