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Arthur Schnitzler

»Weltgeschichte ist eine Verschwörung der Diplomaten gegen den gesunden Menschenverstand.«

Leitartikel
27 Bischöfe in Israel

Die Reise nach
Jerusalem


Von Rolf Dressler
Die Worthülse vom Nahost-»Friedensprozess« hat Gebetsmühlencharakter. Weil es in dieser wahrlich weltbewegenden Sache aber seit Jahr und Tag kaum oder überhaupt nicht vorangehen will, flüchtete sich vor kurzem auch das sogenannte Nahost-Quartett (Vereinte Nationen, USA, Russland und Deutschland) wieder nur in gedrechselte Beschwörungsfloskeln.
Bei Tische habe immerhin ein »Spirit«, sprich: ein Geist, ge- herrscht, der »von der Einsicht in die Notwendigkeit äußeren Drucks bei der Lösung des Nahost-Konflikts und der nötigen Kreativität bei der Suche nach einem funktionierenden Weg getragen« gewesen sei.
So kaschiert man Ratlosigkeit.
Nun trifft es sich vor eben diesem anhaltend explosiven Hintergrund, dass just vom heutigen Montag an 27 hochrangige Würdenträger der Katholischen Kirche Deutschlands, Diözesanbischöfe allesamt, Israel sieben Tage lang als Pilger bereisen. Sie besuchen und besichtigen ein vergleichsweise kleines Land, das sich wie wohl kein anderes nach wie vor elementar in seiner physischen Existenz bedroht sieht, ja, bedroht sehen muss, weil arabisch-islamische Nachbarn ihm und seinen Menschen noch immer den Garaus machen wollen.
Ermunterung und Ermutigung möchten die Hirten aus Deutschland zum Beispiel jungen Menschen in christlichen Schulen und Älteren in christlichen Seniorenheimen zusprechen. Denn dessen bedürfen die bedrängten Christen dort mehr denn je, weil sie in ganz besonderem Maße der israelischen Sicherheits- und Abgrenzungspolitik ausgesetzt sind.
Die 27 deutschen Bischöfe, unter ihnen auch der Paderborner Franz-Josef Becker, wissen selbstverständlich, auf welch schmalem Grat sie unterwegs sind, wenn sie, wie auch der Papst es tut, einerseits das israelische Besatzungsunrecht an den Palästinensern kritisieren, andererseits aber dem Staat und dem Volk der Juden ein uneingeschränktes und unantastbares Recht auf fortdauernde, sichere Existenz zuschreiben.
Deshalb ist es ebenso töricht wie überflüssig, wenn etwa die »Süddeutsche Zeitung« oberlehrerhaft daherschreibt, Kardinal Karl Lehmann, der Vorsitzende der Bischofskonferenz werde wohl an jedem Abend der siebentägigen Pilgerreise ein Stoßgebet zum Himmel schicken, dass sich nur ja »keiner seiner politisch noch unerfahrenen Bischöfe verquatschen« möge.
Wann wurde einer Delegation evangelischer Kirchenoberen je ein derart rustikaler Mahnruf für eine Israel-Reise mit auf den Weg gegeben? Aber mit der Katholischen Kirche springt man ja gerade auch in Deutschland gern so um. Das verheißt fast immer Applaus.
Manches Erfreuliche lässt sich gottlob dagegenhalten: Deutschland und die Deutschen gewinnen in Israel immer größere Sympathie; und das sogar besonders kräftig bei den Menschen über 50 Jahre, von denen viele die Hitler-Tyrannei und den Holocaust noch in furchtbarer Erinnerung haben. Das höchste Ansehen aller ausländischen Politiker genießt in Israel Angela Merkel.
Der Nahost-»Friedenprozess« stockt. Friedenssehnsucht lebt. Überall. Tief in den Menschen.

Artikel vom 26.02.2007