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Der Bauernsohn legt das
Harry-Potter-Image ab

Simon Ammann feiert ein märchenhaftes Comeback

Sapporo (dpa). Nach dem unglaublichen WM-Triumph auf der Großschanze feierte Simon Ammann an der Bar im 28. Stock des noblen Prince-Hotels mit Bier und Snacks sein märchenhaftes Comeback.
Fünf Jahre nach seinem sensationellen Doppel-Olympiasieg krönte sich der Bauernsohn in Sapporo zum Skisprung-König und bescherte der Schweiz den ersten Titel in dieser Disziplin seit 1933. »Das ist fantastisch. Wahnsinn! Ich fühle mich so großartig«, jubelte der 25-Jährige.
Mit dem Titelgewinn hat sich für Ammann am Samstag der Kreis geschlossen. 1998 war er als 16-Jähriger erstmals ins Land der aufgehenden Sonne gereist und kurz vor den Olympischen Winterspielen beim Weltcup in Sapporo gestartet. »Ich bin damals am höchsten gesprungen, heute am weitesten«, flachste der sympathische Eidgenosse.
Dessen Stern war bei den Olympischen Winterspielen 2002 aufgegangen, als er in Salt Lake City gleich zwei Mal triumphierte. Es folgten viele Partys und das unvermeidliche Leistungstief, aus dem Ammann erst in dieser Saison heraus fand. »Ich habe immer daran geglaubt, hart dafür gearbeitet und viel Geduld gehabt. Dieses Mal werde ich den Erfolg ruhiger genießen. Ich bleibe ich selbst«, versprach Ammann.
Nach seinem Sieg mit dem hauchdünnen Vorsprung von zwei Zehntelpunkten vor dem Finnen Harri Olli verlor er allerdings für kurze Zeit die Bodenhaftung, als er von den Schweizer Betreuern auf den Schultern durch den Innenraum getragen wurde. Erst später fand Ammann die Fassung wieder und zu einer tief greifenden Analyse. »Die mentale Stärke ziehe ich aus meiner Herkunft. Ich komme aus einer Bauern-Familie, mir ist nichts in den Schoß gefallen. Daher greife ich zu, wenn sich eine Möglichkeit ergibt«, erzählte Ammann.
Ammann hat sein »Harry-Potter«-Image längst abgelegt und ist zu einer Persönlichkeit gereift. »Ich habe in den vergangenen Jahren viel über mich und das Leben gelernt. Es kommt in erster Linie darauf an, Ruhe zu bewahren und das Gute herauszustreichen«, erklärt er. Mit dem Spitznamen, der ihm 2002 vor allem in den USA zu großer Popularität verhalf, konnte er ohnehin noch nie etwas anfangen. Bis heute hat er weder die Bücher gelesen noch die Filme gesehen. Auch wenn er Texte über sich liest, in denen das »Phänomen Ammann« beschrieben wird, sei er immer wieder erstaunt. Allerdings verhehlt er nicht: »Meine Geschichte gefällt mir, trotz der Tiefen. Aber jetzt bin ich ja wieder oben.«

Artikel vom 26.02.2007