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Wiens erotische Geschichte
vom Kaiser bis Alban Berg
Themenrundgänge bieten Gruseltour und erklären die pralle Ära des Barocks
»Und dies, meine Damen und Herren, ist die Hofburg, Residenz der ehemaligen österreichischen Monarchie.« Mit solch allgemeinen Aussagen lässt sich heute kein Tourist mehr zu einem Stadtrundgang locken.
Stadtführer müssen Themen bieten. Keine Geschichtszahlen, erst recht keine Aneinanderreihungen statistischer Superlative, mögen sie auch noch so beeindruckend sein. In Wien hat man das verstanden und bietet nun Motto-Touren an.
Die Spaziergänge beginnen mit der Gruselführung »Geister, Gespenster und Vampire - gruseliges Wien«, führen in Spezialthemen wie »Die Fledermaus - Operette und Wildtier« ein oder gehen über den Wiener Zentralfriedhof zum Ehrengräberhain, wo Beethoven, Schubert, Strauß und andere bestattet wurden. »Glaube, Tod und Sinneslust« bringt Besuchern die bunte Welt des Barock nahe. Die Kaffeehaus-Tour wirkt da schon ein wenig antiquiert.
Die bei weitem beliebteste Führung aber heißt »Erotisches Wien«. Pikant bis lustvoll, aber zuweilen auch dramatisch sind die Histörchen, die bekannte Plätze der Donaumetropole in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. »Erotik schafft Aufmerksamkeit«, meint Gina- Maria Husa, ihres Zeichens Geographin und Stadtführerin.
Wer glaubt, es gehe nur um »leichte Unterhaltung«, wird schnell eines Besseren belehrt. Gina-Maria Husa weiß auch dramatische Ereignisse der Wiener Stadtgeschichte ins erotische Licht zu rücken. So ist der Syphilis der Niedergang der Badehaus-Kultur zu verdanken. Zu dumm nur, dass sich die hygienischen Verhältnisse daraufhin so verschlechterten, dass die Pest leichtes Spiel hatte, ihre Opfer zu finden.
Natürlich führt auch diese Tour zur Hofburg -Ê Themenrundgänge lassen die bedeutenden Sehenswürdigkeiten nicht links liegen -Êaber sie werden unter anderen Gesichtspunkten erläutert. So erinnert Husa zum Beispiel an den Habsburger Ferdinand I., der zum Kampf gegen die »gemeinen Frauen« aufrief, indem er eine Keuschheitskommission einsetzte.
Freilich war es in Wien genauso wie andernorts: Diejenigen, die am lautesten gegen die Unmoral wetterten, pflegten oft selbst einen fragwürdigen Lebensstil. Und das war beileibe keine Frage von Stand und Ansehen. Kaiser Franz-Joseph hatte eine 15-jährige Geliebte namens Anna Nahowski. Man geht davon aus, dass zwei von Annas Kindern die von Franz Joseph waren, eines davon, Tochter Helene, heiratete später den Komponisten Alban Berg.
Männliche Habsburger verkehrten auch in Wiens diskretester Herberge, dem Stundenhotel »Orient« mit seinem prunkvollen Kaiserzimmer, welches diesen Namen aus gutem Grund trug. Bereits im 17. Jahrhundert wurde das Haus als Schenke urkundlich erwähnt. Ehemals befand sich dort ein Fluß, der die Verbindung zur Donau herstellte. Auf ihm fuhren die Beiboote der großen Donauschiffe, beladen mit Waren aus dem Orient.
In der Folge wurde dieser Ausschank zur Herberge, bis schließlich 1896 offiziell das Hotel eröffnet wurde. Dem Geschmack der damaligen Zeit entsprechend, wurde das Hotel im reinsten Fin-de-siécle, sprich wienerisch-üppigen Makart-Stil eingerichtet. Durch liebevollste Restaurierungsarbeiten wurde das Interieur des Hotels bis heute weitgehend im Original erhalten.
Diese einmalige Atmosphäre zog Menschen aus der Kunst- und Filmbranche immer wieder an. Teile des Films »Der dritte Mann« wurden hier ebenso gedreht wie Lichtspiele nach Arthur Schnitzler - und sogar ein deutscher »Tatort«. Heute kann man hier auch ganz regulär übernachten. Thomas Albertsenwww.wienguide.at

Artikel vom 03.03.2007