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Madonna verlässt Windflöte

Marienfigur aus St. Johannes findet Heimat im Diözesanmuseum

Von Peter Monke (Text und Foto)
Senne (WB). Mit der Madonna-Skulptur hat gestern ein Herzstück der seit dem 3. Dezember profanierten St. Johanneskirche die Windflöte verlassen. Die Restauratoren Andreas Ahlers und Matthias Rüenauver holten die 1,62 Meter große und 60 Kilogramm schwere Figur ab, die ihre neue Heimat vorerst im Paderborner Diözesanmuseum finden wird.

Mit dem Abschied aus der Senne hat die Madonna noch ein kleines Geheimnis preisgegeben. Wochenlang war spekuliert worden, ob es sich bei der Skulptur eventuell um ein Original und nicht um einen Abguss handeln könne. Sogar eine Kunstkommission hatte die Figur in Augenschein genommen, ohne jedoch ein eindeutiges Urteil fällen zu können.
Restaurator Ahlers musste die Hoffnungen, 35 Jahre lang eine wertvolle Skulptur aus der Spätgotik des 16. Jahrhunderts beherbergt zu haben, jedoch enttäuschen. Der Abgleich mit einer identisch gestalteten Figur des Diözesanmuseums ergab: Das Museum verfügt über das Original, in St. Johannes stand dagegen ein Abguss aus Epoxid-Harz, einem schokoladenbraunen Kunststoff.
»Die Kopie ist hervorragend gelungen und damit selbst für Kenner nur schwer vom Original zu unterscheiden«, sagt Ahlers. Jeder Makel im Holz sei detailgetreu nachgebildet - vom Loch des Holzwurms bis zu Stellen an denen andere Insekten die Figur leicht angefressen hätten. In den Vertiefungen der Figur seien vielfach sogar die Reste einer Grundierung angedeutet, von der täuschend echt aufgemalten Holzmaserung ganz zu schweigen. »Es ist schon ungewöhnlich, so viel Zeit in die Kopie einer Madonna-Skulptur zu stecken«, sagt Ahlers. Er schätzt den Arbeitsaufwand vom Gießen bis zum Bemalen auf »fünf bis sechs Wochen«.
Da es sich bei der Madonna aus der St. Johanneskirche »nur« um eine Kopie handelt, ist auch die Hoffnung des Diözesanmuseums auf eine Doppel- oder Strahlenmadonna zerstört. Bei dieser Skulpturenform sind zwei am Rücken abgeflachte, meist identisch gestaltete Madonna-Figuren an der Rückseite miteinander befestigt. »Eine Doppelmadonna hing vor allem zur Zeit des Mittelalters in vielen großen Kirchenschiffen. Durch diese Anordnung der Figuren war es allen Gläubigen möglich, der Madonna ins Gesicht zu schauen«, sagt Ulrike Hauser, Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Diözesanmuseum.
Der katholischen Gemeinde von St. Johannes ist bei allem Wirbel um Original oder Kopie vor allem wichtig, dass »ihre« Madonna in gute Hände kommt und auch künftig in Ehren gehalten wird. Das Diözesanmuseum dürfte diesem Wunsch in jedem Fall entsprechen. Kunsthistorikerin Hauser sagt: »Zunächst wird die Skulptur gereinigt und bei Bedarf ausgebessert.« Denkbar sei, die Madonna anschließend auszustellen oder in eine andere Gemeinde zu geben, aber darüber sei bislang noch nicht entschieden.

Artikel vom 23.02.2007