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Die Beichte als Faustpfand

Seelsorger der JVA Brackwede I im Erzählcafé zu Gast

Von Peter Monke (Text und Foto)
Brackwede (WB). Die Kirche, in der Klaus Djambasoff (evangelisch) und Wilhelm Schulte (katholisch) predigen, gehört zu den am besten gesicherten Orten in Nordrhein-Westfalen. Sie liegt inmitten eines Quadrats 200 Meter langer und 6 Meter hoher Mauern - mit Beobachtungskanzeln an jedem Eckpunkt. Djambasoff und Schulte sind Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brackwede I.

Etwa 650 Gefangene gehören zu ihren Schützlingen: »Offiziell hat die JVA nur 548 Plätze, aber einen anderen Zustand als Überbelegung kennen wir gar nicht«, sagt Schulte. Die Klientel ist bunt gemischt: Drogendealer, Betrüger, Räuber oder Mörder - wer im geschlossenen Vollzug sitzt, hat meist einiges auf dem Kerbholz. »Viele Leute denken, dass wir tolle Hechte sind, weil wir uns trauen, im Gefängnis zu arbeiten. Wir selbst sehen das aber gar nicht so«, sagt Djambasoff. Natürlich dürfe man nicht ängstlich sein. Wichtig sei jedoch vor allem, dass man fest mit beiden Beinen im Leben stehe.
Die Bedürfnisse der Häftlinge sind vielfältig: »Manche fragen nach Kaffee und Tabak oder wollen, dass wir sie öfter telefonieren lassen, aber die Vorstellung vom Pastor als gutem Menschen gilt in dieser Form für uns nicht.« Die meisten Gefangenen suchten jedoch das Gespräch: »Da geht es um Trauer, Schuldgefühl und Angst, oder jemand braucht einen Menschen, dem er erzählen kann, dass er unschuldig ist«, sagt Djambasoff.
Aufgabe der Seelsorger ist es in solchen Momenten, in aller Ernsthaftigkeit zuzuhören. »Dazu gehört, dass wir den Menschen hinter dem Gefangenen sehen - den Vater, Sohn oder Ehemann - und ihn nicht auf seine Rolle in der JVA reduzieren.« Bis zum Beichtgespräch könnten sich solche Begegnungen entwickeln. Der größte Faustpfand der Seelsorger auf diesem Weg sei das Beichtgeheimnis - das es im Übrigen auch in der evangelischen Kirche gebe.
»Was ein Häftling uns erzählt, bleibt unter vier Augen. Das Beichtgeheimnis ist unverbrüchlich«, sagt Schulte. Nicht einmal vor Gericht dürfe er Inhalte der Beichte preisgeben - selbst dann nicht, wenn es zur Aufklärung einer Tat beitragen könne. »Unsere Aufgabe ist es nicht, Straftaten aufzuklären, sondern die Menschen zu begleiten und seelisch neu aufzubauen, damit sie nach ihrer Haft nicht wieder rückfällig werden.« Die Erfahrung zeige, dass jemand, der sich in der Beichte zu seiner Schuld bekennt und seinem Leben eine neue Richtung geben will, auch vor Gericht zu seinem Vergehen steht und nicht lügt, um mit einer geringeren Strafe davonzukommen.
Jeden Sonn- und Feiertag laden die Seelsorger der JVA zum Gottesdienst - ob katholisch oder evangelisch spielt dabei keine Rolle: »Wir praktizieren und leben die Ökumene«, sagen beide. 50 bis 80 Männer kommen regelmäßig, an hohen Feiertagen wie Heiligabend sind sogar bis zu 130 Besucher in der Kirche. Für die inhaftierten Frauen gibt es seit einigen Jahren einen eigenen Gottesdienst. »Das ist eine gute Sache. Auf diese Weise ist eine individuellere Ansprache der Geschlechter möglich«, sagt Schulte, denn: Während es sich bei den Vergehen männlicher Gefangener meist um Tätergeschichten handelt, geht den Straftaten von Frauen meist eine Opfergeschichte voraus.
»Viele sind dauerhaft gequält, geschlagen oder erniedrigt worden und haben sich irgendwann gerächt, indem sie ihren Peiniger umgebracht haben«, sagt Djambasoff. Die Trennung von Mann und Frau im Gottesdienst habe im Übrigen nicht zu einem Rückgang der Besucherzahlen geführt. »Bei den Männern kommen genauso viele wie früher, bei den Frauen dagegen ist die Zahl von 10 auf 40 angestiegen. Ich glaube, viele sind früher nur deshalb nicht gekommen, weil sie nicht ständig angeglotzt werden wollten.«

Artikel vom 22.02.2007