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Fahrstuhlkartell muss büßen

EU verhängt Rekordstrafe - Thyssen-Krupp zahlt halbe Milliarde Euro

Brüssel (dpa). Der Thyssen-Krupp-Konzern muss eine Rekordstrafe von fast einer halben Milliarde Euro wegen seiner Beteiligung an einem Kartell für Fahrstühle und Rolltreppen zahlen.

Die EU-Kommission verhängte für vier marktführende Konzerne insgesamt ein Bußgeld in Höhe von 992,3 Millionen Euro. Die Firmen hatten sich zwischen 1995 und 2004 den Markt in Deutschland, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden aufgeteilt und vereinbart, wer einen Auftrag bekommen sollte.
Mit 479,6 Millionen Euro entfällt der Löwenanteil der Strafe auf Thyssen-Krupp. Der eigentlich fällige Betrag sei um 50 Prozent erhöht worden, weil ThyssenKrupp ein »Wiederholungstäter« ist, teilte die EU-Kommission gestern in Brüssel mit. Das Unternehmen war 1998 bereits wegen Kartellabsprachen im Edelstahlsektor bestraft worden.
Der US-Branchengigant Otis wurde zu 225 Millionen, die Schindler AG (Schweiz) zu 143,7 Millionen und Kone (Finnland) zu 142,1 Millionen Euro Geldbuße verurteilt. Mit knapp 2,0 Millionen Euro wurde auch Mitsubishi Niederlande bestraft. Kone bekam eine mildere Strafe, weil die Firma bei der Aufdeckung des Kartells mit der Kommission zusammengearbeitet hat. Dies gilt auch für Otis Niederlande.
Thyssen-Krupp erklärte, es habe den Bußgeldbescheid noch nicht erhalten. Daher könnten »Begründung und Bemessung der Bußgelder derzeit nicht nachvollzogen werden«. Thyssen-Krupp werde nach Prüfung entscheiden, ob Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof eingelegt werden.
»Steuerzahler, öffentliche Einrichtungen und Bauherren sind in großem Stil betrogen worden«, sagte ein Sprecher der Kommission. Jedes der Unternehmen habe seine angestammten Marktanteile behalten. Andere Mitglieder hätten, »wenn sie gerade nicht an der Reihe waren«, völlig überhöhte Angebote abgegeben. In allen Unternehmen seien hochrangige Mitglieder des Managements an den Preisabsprachen beteiligt gewesen.
»Die Manager wussten, dass das, was sie taten, verboten war«, erklärte Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. »Es ist empörend, dass die Baukosten für Gebäude, einschließlich Krankenhäuser, von diesem Kartell in die Höhe getrieben wurden.« Auch die EU selbst wurde nach Angaben des Kommissionssprechers Opfer des Kartells. Sowohl bei der Renovierung des Kommissionsgebäudes in Brüssel als auch beim Neubau eines Gebäudes des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg sei das Kartell tätig gewesen.
»Die Auswirkungen des Kartells werden noch die nächsten 20 bis 50 Jahre zu spüren sein«, sagte der Kommissionssprecher. Der Bau von Aufzügen und Rolltreppen schließe erhebliche Folgeverträge für die Wartung ein. Die Betroffenen könnten nun jedoch versuchen, unter Hinweis auf die Preisabsprachen vor Auftragserteilung die Verträge entweder mit den fraglichen Unternehmen neu auszuhandeln oder aber vor Gericht anzufechten.
Die Tatsache, dass die drastischen Bußen sich lediglich auf Fälle in Deutschland, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden bezögen, bedeute nicht, dass das Kartell nicht auch in anderen Ländern aktiv gewesen sein könnte. Die Bußen fließen in den EU-Haushalt. Die Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten werden dadurch entlastet. S. 4: Leitartikel

Artikel vom 22.02.2007