22.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Dreckiges Trikot und saubere Arbeit

Vor dem Spiel bei Ajax Amsterdam: Werder-Kapitän Frings darf laut werden

Von Klaus Lükewille
Amsterdam (WB). Nur ein Stirnband bändigt die fast schulterlangen Haare. So könnte er in jeder Rockgruppe auftreten. Aber für Torsten Frings (30) spielt die Musik woanders. Auf dem Platz - und manchmal auch in der Kabine.
Torsten Frings: Knallharte Kollegen-Kritik. Foto: dpa

Frings ist Fußball-Profi und Kapitän des Bundesliga-Halbzeitmeisters SV Werder Bremen. Ein Mann, der keine Kompromisse mag. Im Zweikampf nicht und im Umgang mit seinen Kollegen schon gar nicht. Zum Rückspiel in der dritten UEFA-Cup-Runde nehmen die Bremer heute (21 Uhr/ZDF) nach Amsterdam zwar einen beruhigenden 3:0-Vorsprung mit, gleichzeitig belasten interne Spannungen aber das sonst so hochgelobte Nord-Klima.
Auslöser ist Frings, der wegen Rückenproblemen heute vielleicht selbst gar nicht zum Einsatz kommt. Nach der dritten Liga-Niederlage in diesem Jahr, dem 0:2 gegen den Hamburger SV, redete er Klartext. Was Trainer Thomas Schaaf in der Öffentlichkeit nie und nimmer so scharf sagen würde, sein Kapitän nimmt da keine Rücksichten. So ist er, der Frings: leise Stimme, laute Anklagen: »Hier geben nicht alle immer alles«, stellte er in der Kabine Charakter und Einstellungen einiger Werder-Profis in Frage.
Das kam natürlich bei manchen Mitspielern nicht so gut an. Doch Schaaf und Sport-Direktor Klaus Allofs stärkten ihrem Kapitän sofort den Rücken: Frings darf das. Er präsentiert sich schließlich während der 90 Minuten immer als Vorbild. Rennen, kämpfen, grätschen, nie aufgeben. So versteht Frings diesen Beruf. Meistens ist seine grün-weiße Sportkleidung schon nach ein paar Minuten reif für die Waschmaschine. Ein dreckiger Beweis für saubere Arbeit.
Das sehen Schaaf und Allofs genau. Der Sportdirektor: »Torsten will die Mannschaft voran bringen, da darf er auch mal über das Ziel hinaus schießen.« Einer fühlte sich hier schon mehrfach getroffen: Miroslav Klose, der Torjäger, der seit Wochen daneben zielt. Der wurde von Frings schon attackiert, als er noch erfolgreich stürmte. Wie nach dem 3:1 gegen Hertha am 2. Dezember, als alle nur vom Weltklasse-Klose schwärmten. Da ging Frings auf die Nerven: »Den Kopfball zum 2:1 hätte ich auch reingenickt.«
Prominenten-Rabatt gibt's bei ihm nicht. Das bekam selbst Michael Ballack zu hören. Als sich der Nationalmannschafts-Kapitän vor dem Stuttgarter Spiel um Platz drei gegen einen WM-Abschied in Berlin aussprach, plädierte der Bremer für die Rückkehr in die Hauptstadt. Frings musste dabei gar nicht erst laut werden. Er hatte die besseren Argumente - und die große Mehrheit der Kollegen überzeugt.

Artikel vom 22.02.2007