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Dieter Stolte,
ehemals ZDF-Intendant

»Der Mensch kann seine Gewohnheiten, nicht aber sein Wesen ändern.«

Leitartikel
Kartell erhält Rekordstrafe

Mit dem
Aufzug
abgestürzt


Von Rolf Dressler
Hammer, Klops und dicker Hund - im Volksmund herrscht kein Mangel an deftig-klaren Worten, um nun auch den gewaltigen Bußgeld-Knaller ThyssenKrupp punktgenau aufs Korn zu nehmen.
Fast eine satte halbe Milliarde Euro Bußgeld für allerdreisteste Kartell-»Marktpflege« zu ureigenem Firmen-Eigennutzen - so etwas ist eigentlich kaum noch steigerbar, sollte man als treudeutsch werktätiger Normalverdiener und braver (Zwangs-)Abgabenentrichter meinen. Doch auch dieser schwere Sündenfall des Essener Weltkonzerns dürfte nicht der letzte gewesen sein.
Im Dschungel des vielzitierten globalen Wettbewerbs wird mit härtesten Bandagen gearbeitet. Die lästig-müpfige Konkurrenz hüben wie drüben kennt buchstäblich keine Verwandten, wenn sie ihre Chance wittert. Wo immer Milliardenaufträge und einträgliche Geschäfte winken, wird nötigenfalls die Brechstange eingesetzt.
Was freilich durchaus nicht wörtlich zu nehmen ist, weil die handelnden Personen als diskretes Vielzweckwerkzeug heutzutage rund um die Uhr das »Handy« zur Hand haben. Über dieses winzige Wundergerät wurden ja offenbar speziell auch die knallharten Kartellabsprachen zwischen ThyssenKrupp, dem US-Branchenriesen Otis, der schweizer Schindler AG und dem finnischen Rolltreppen- und Aufzugshersteller Kone abgewickelt.
Mehr als nur staunenswert und im Grunde nicht zu fassen ist dabei, dass immer und immer wieder selbst versierteste Manager zu diesen Mitteln greifen - und felsenfest darauf bauen, dass ge- rade sie mit ihren verwerflichen Machenschaften nicht auffallen und auffliegen. Anscheinend bremst und schreckt sie nicht einmal die Aussicht auf gepfefferte Bußgeldstrafen. Und womöglich spekulierten auch im aktuellen Fall ThyssenKrupp und Co. einige der noch besonders abgefeimten Firmenlenker sogar darauf, dass sich vorübergehend ernsthaft verärgerte Aktionäre schon bald wieder beruhigen würden, sobald das Management nur einige geeignete Maßnahmen »zur Schadensbegrenzung« getroffen habe. Beispielsweise durch »organisatorische Straffungen« oder »Umstrukturierungen im personellen Bereich«, wie das bei solchen Gelegenheiten hübsch verklausuliert genannt wird.
Absolut unerträglich aber ist der üble Tatbestand, dass letztlich wir Steuerzahler durch das Kartell ThyssenKrupp/Otis/Schindler/Kono in großem Stil betrogen und milliardenschwer geschädigt wurden. Noch auf viele Jahre hin wird die All- gemeinheit für die horrende Kostentreiberei vor allem beim Bau und bei der Modernisierung öffentlicher Gebäude wie Krankenhäusern finanziell bluten müssen.
Übrigens sogar auch bei der Renovierung des Brüsseler Amtssitzes der EU-Kommission und beim Neubau eines Gebäudetraktes des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg.
Derlei Kaltblütigkeit kann nach herkömmlichem Moral- und Rechtsverständnis nur aus krimineller Energie erwachsen.
Eine traurige Zeiterscheinung.

Artikel vom 22.02.2007