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Mit Kabelproblemen fing es an - jetzt droht ein Flächenbrand

Pannen und Führungswechsel bringen Flugzeugbauer in Turbulenzen

Von Heiko Stolzke
Hamburg (dpa). Zukunftsangst bei den Mitarbeitern, bis auf Regierungsebene eskalierende Konflikte um die Firmenstruktur - bei Airbus droht ein Flächenbrand. Die anfängliche Krise um Kabelprobleme beim Flaggschiff A380 hat sich zu einem Gesamtkonflikt entwickelt, der die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens belastet.

Angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dürfte der europäische Flugzeugbauer eigentlich kein Sanierungsfall sein: Das Luftverkehrsaufkommen wächst jährlich um fünf Prozent, Airbus hat prall gefüllte Auftragsbücher. Viele Kunden würden ihre neuen Jets lieber heute als morgen in Dienst stellen.
Der Betriebsrat macht die Sorgen der 23 000 Mitarbeiter an den deutschen Airbus-Standorten deutlich und scheut sich auch nicht vor den Konflikten mit der französischen Seite: »Wir hören immer nur von Lastenverteilung, aber nichts von Zukunftschancen«, heißt es von den Arbeitnehmervertretern. »Wir müssen unsere Kernfähigkeiten in Deutschland halten«, stellte der Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Airbus Deutschland, Rüdiger Lütjen, fest.
Die Arbeitnehmervertreter in den deutschen Airbus-Werken reden Klartext: Durch Sanierung und neue Strukturen droht dem Flugzeugbauer aus ihrer Sicht der Wandel zu einem französischen Unternehmen mit drei Satelliten in Deutschland, Spanien und Großbritannien. Mit ihren Protesten wollen die Betriebsräte das bisherige Gleichgewicht bewahren und Arbeitsplätze an deutschen Standorten sichern.
Die aktuelle Krise ist der Endpunkt einer langen Kette: Im Frühjahr 2006 meldete Airbus die Kabelprobleme beim A380. »Aus produktionstechnischen Gründen wird sich der Auslieferungszeitplan um sechs bis sieben Monate nach hinten verschieben«, teilte das Unternehmen im Juni mit. Damals plante Airbus noch, den ersten der neuen Riesenjets Ende 2006 auszuliefern, für 2007 waren neun Lieferungen vorgesehen.
Dann eskalierte die Entwicklung mit dem Führungswechsel bei Airbus und EADS: Gustav Humbert und Noel Forgeard traten Anfang Juli zurück. An die Spitze von Airbus rückte Christian Streiff. Doch nach nur 100 Tagen auf dem Chefsessel verließ er den Flugzeughersteller wieder. Der neue EADS-Co-Chef Louis Gallois übernahm in Personalunion auch die Führung bei Airbus.
Anfang Oktober meldete Airbus erneut Verzögerungen beim A380: Nur noch ein Riesenjet soll 2007 an den Startkunden Singapore Airlines gehen, 2008 sollen dann 13 Maschinen ausgeliefert werden.
Bei den Fluggesellschaften haben die Probleme von Airbus bisher noch nicht zu gravierenden Reaktionen geführt: Zwar stornierte FedEx seinen Auftrag für den A380-Frachter. Die Kunden für die Passagierversion blieben aber bei der Stange.
Dennoch ist die Angst der deutschen Betriebsräte begründet: Bei Airbus stehen mit den Produktionsanteilen der geplanten neuen A350 und in wenigen Jahren mit dem Nachfolger der A320 Weichenstellungen für die nächsten Jahrzehnte an. Dabei geht es nicht nur um die Fertigung, sondern auch um Anteile an Entwicklungsprogrammen für neue Werkstoffe oder Konstruktionsverfahren.

Artikel vom 21.02.2007