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»Nicht der Iran wird isoliert, sondern Washington in seinem Bestreben, die Diktatur der Mullahs einzudämmen.«

Leitartikel
Brennpunkt Iran

Die Politik
steht am
Scheideweg


Von Jürgen Liminski
Die Geschichte kennt zwei Möglichkeiten, einer universal ausgreifenden Diktatur Einhalt zu gebieten: Beschwichtigung (appeasement) und Eindämmung. Appeasement ist eine zweischneidige Sache, damit haben es die Großmächte zunächst gegen Adolf Hitler versucht.
Winston Churchill erklärte dann fünf Jahre nach dem Krieg im Unterhaus: »Appeasement kann für sich genommen gut oder schlecht sein - je nach den Umständen. Appeasement aus Schwäche oder Angst ist nutzlos und tödlich zugleich. Appeasement aus Stärke ist großmütig und nobel und mag der sicherste, vielleicht sogar der einzige Weg zum Weltfrieden sein.«
Das ist er mit Sicherheit, wenn er flankiert wird von Eindämmung, der anderen nicht-kriegerischen Art, mit uneinsichtigen Diktaturen umzugehen. Denn isoliert und waffenlos wird kein Diktator zum Schlagabtausch antreten. Appeasement und Eindämmung - das geschieht derzeit mit dem Iran. Washington ist entschlossen, den Bau der iranischen Atombombe zu verhindern.
Es reizt sämtliche internationale Möglichkeiten aus. Die von der UNO verhängten Sanktionen laufen mäßig. Die Regierungen in Russland, Frankreich und auch Deutschland sind davon nicht sonderlich überzeugt und stehen natürlich auch unter dem Druck der mit Iran glänzende Geschäfte betreibenden Wirtschaft.
De facto wird nicht der Iran isoliert, sondern Washington in seinem Bestreben, die Diktatur der Mullahs einzudämmen. Das ist zweierlei Appeasement, einmal das der Stärke auf Seiten der Angelsachsen und dann das der Angst und Schwäche auf Seiten der Kontinentaleuropäer. Wie es scheint, haben nur die Angelsachsen ihre Lektion aus der Geschichte gelernt.
Sie werden sich nicht beirren lassen. Denn es geht mittlerweile auch gar nicht mehr nur um Iran, sondern um einen höheren Einsatz. Spätestens Ende März, vermutlich schon früher, wird Teheran über mindestens 3000 Zentrifugen verfügen, die kritische Anzahl, um genügend Uran für zwei Atombomben pro Jahr anzureichern. Die Mullahs wollen bis Ende des Jahres sogar auf mehr als 50 000 Zentrifugen kommen. Wenn die offiziellen Nuklearmächte das nicht verhindern, wird es ein Anreiz für andere Staaten sein, ebenfalls die Atombombe herzustellen.
Der zweite geopolitische Grund ist die Gefahr, dass sich unter dem Schutz der Atombombe ein Gas-Kartell bildet. Putin hat diese Idee Anfang Februar als »interessant« bezeichnet, aber für den Moment als unrealistisch abgetan. Doch Putin denkt langfristig, und deshalb wird Russland den Iran schonen, um ihn für seine energiepolitischen Pläne zu gewinnen.
In dieser Situation kann Washingtons Ziel nur sein, die iranische Bombe zu verhindern und einen Regimewechsel im Iran herbeizuführen. Washington will Teheran finanziell und wirtschaftlich austrocknen, ähnlich wie Nordkorea. Bei Pjöngjang, einem unberechenbaren Regime, hat es funktioniert, warum sollte es bei den Mullahs nicht gelingen?

Artikel vom 23.02.2007