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»Zweiffel soll nicht beim Gebet seyn«

Bielefelder besitzt eine 300 Jahre alte Bibel - Großmutter ging damit regelmäßig zur Kirche

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Foto)
Schildesche (WB). Am Dienstag berichtete das WESTFALEN-BLATT von der Restauration einer 115 Jahre alten Bibel. Das ist doch kein Alter, dachte sich Rolf Schneider: Der gebürtige Vilsendorfer besitzt nämlich eine Bibel, die vor genau 300 Jahren gedruckt wurde.

»Das ist die gantze Göttliche Heilige Schrift/Alten und Neuen Testaments/Nach der Ubersetzung D[octoris] Martini Lutheri mit dessen Vorreden« - so steht es in alten Lettern auf dem Deckblatt der Bibel. Das gewichtige, in feines Leder gebundene Buch der Bücher, »druckts und verlegts Johann Detleffsen 1707« zu Minden, war Weihnachten 1965 schon einmal Gegenstand eines Zeitungsartikels. »Da gehörte die Bibel noch meiner Großmutter Johanne. Und als der Text erschien, klingelte monatelang das Telefon - sogar an der Haustür standen Leute, die das uralte Erbstück kaufen wollten«, erinnert sich Rolf Schneider (66).
»Bis heute konnte ich nicht in Erfahrung bringen, wie die Bibel in den Besitz der Familie kam«, sagt der stolze Besitzer, Spross einer Vilsendorfer Bauernfamilie. »Ich habe auch keinen Geistlichen unter meinen Vorfahren.« Nun hebt Rolf Schneider die Heilige Schrift zusammen mit dem Zeitungsartikel und einer 1967er Ausgabe des »Bielefelder Kultur- und Wirtschaftsspiegels« auf: »Auf dem Titelblatt ist meine Großmutter bei der Lektüre des alttestamentarischen Propheten Micha zu sehen.«
Ein Register der »fürnehmsten Lehren« von A wie »Abendmahl ist von Christo eingesetzt« bis Z wie »Zweiffel soll nicht bei dem Gebet seyn«, die Apokryphen und Luthers Vorreden: Die in Minden bei Detleffsen gedruckte Bibel scheint eine erfolgreiche Edition gewesen zu sein, denn es gibt sie in mehreren Ausstattungsvarianten. Schneiders Exemplar fehlen die Messingschließen, die anderswo bezeugt werden; Prachtausgaben der »Detleffsen-Bibel« wurden von ehrerbietigen Bürgern gelegentlich an lokale Adlige verschenkt.
»Bei mir hat sie einen Ehrenplatz im Bücherschrank«, sagt Schneider, der das gute Stück möglichst selten bewegt. Einige Seiten hängen lose im Block, und der Buchrücken macht auch nicht mehr den besten Eindruck. »Der WB-Artikel über die Restaurierungswerkstatt in Bethel hat mich sehr interessiert - mal sehen, vielleicht gebe ich meine Bibel eines Tages dorthin Ýzur KurÜ.«
Keinesfalls jedoch wird sich Rolf Schneider von ihr trennen; sie wird an eines der beiden Kinder weitervererbt. Nur kurzzeitig war die Bibel mal außer Haus: »Mit Geschäftskunden bin ich gelegentlich ins Bauernhausmuseum von Bad Zwischenahn gegangen. Ich plauderte mit den Mitarbeitern über alte Schätzchen, und als ich meine Bibel erwähnte, wollten sie die sofort in einer Ausstellung zeigen.« Und also geschah es.
Rolf Schneider ist der Kirche verbunden, aber diese Bibel bleibt zu Hause. Anders seine Großmutter, die 1878 auf der Tödtheide in Brake geboren wurde und bei Wind und Wetter zum Pastor in Schildesche ging. Im Pressegespräch 1965 erinnerte sich die Seniorin: »Wer mit solch einer schweren Bibel zur Kirche musste, der hatte was zu schleppen.«

Artikel vom 21.02.2007