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Japanpapier
verdeckt die
tiefen Risse

Altarbibel in Buchbinderei »zur Kur«

Gadderbaum (WB). Der »Patient« hat nicht nur ein stattliches Alter, sondern auch einige Krankheiten. In der Buchbinderei Bethel wird eine 115 Jahre alte Altarbibel aus Duisburg-Hamborn restauriert.

Eine dicke Lederschwarte umfasst den Buchblock. Wuchtige Metallbeschläge, auf denen die vier Evangelisten abgebildet sind, schützen die Ecken. Eine massive Schließe hält die Buchdeckel zusammen. Auf der ersten Seite eine schwungvolle Unterschrift von majestätischer Größe: »Auguste Viktoria, Kaiserin und Königin« steht dort. Die Ehefrau von Kaiser Wilhelm II., im Volksmund auch »Kirchenguste« genannt, schenkte am 23. Juli 1897 die Bibel der jungen Duisburger Gemeinde. Bis in die 60er Jahre hatte sie ihren Stammplatz auf dem Altar. Nach der umfassend Renovierung des Gotteshauses soll das Buch jetzt wieder hergerichtet werden.
Den Rat, sich an die Betheler Buchbinderei zu wenden, erhielt Pfarrer Matthias Weber-Ritzkowsky vom einem ehemaligen Amtsbruder aus der Nachbargemeinde Marxloh. Denn diese Gemeinde hatte bereits beste Erfahrungen mit den Restaurationskünsten der Betheler Fachleute gemacht. Buchbinderin Sonja Erich-Reineke kümmert sich gemeinsam mit einer Kollegin und 13 behinderten Beschäftigten in der Werkstatt am Haller Weg um die Herrichtung von gedruckten Schätzen.
Der Hamborner Bibel sind die vielen Jahre der Benutzung anzusehen. Kleine und größere Risse, ausgefranste Seiten und gelbe Stockflecken sind nicht mehr unter dem Begriff »ehrwürdige Patina« zu fassen. Hier musste etwas zur Rettung des kostbaren Buches geschehen. Die Fachfrau erkennt sofort, dass jemand einen - misslungenen - Restaurierungsversuch gewagt hat. Der vergilbte Klebestreifen, der das eingerissene Blatt notdürftig zusammenhält, wird mit Waschbenzin und einem feinem Pinsel gelöst. »Das ist nicht nur hässlich, sondern auch schädlich«, erklärt Sonja Erich-Reineke. »Die Klebeschicht ist nämlich säurehaltig.« Für Rissstellen und ausgefranste Ränder hat sie eine andere Therapie: hauchdünnes Japanpapier, das keine sichtbaren Kanten hinterlässt.
Zuletzt kommt der Einband aus Ziegenleder an die Reihe. Eine tiefe Furche zieht sich durch das Leder. Der Buchrücken wird mit heller Kalbshaut unterlegt, die sich in der Farbe gut anpasst. Zudem ist Kalbsleder sehr robust. Und das ist auch notwendig, weil die Altarbibel nach der Verjüngungskur in Bethel wieder ihren Platz auf dem Altar der Duisburger-Hamborner Friedenskirche bekommen soll.
Pfarrer Weber-Ritzkowsky ist voller Vorfreude auf die Rückkehr des guten Stücks, das ja eine besondere Bedeutung für die Gemeinde hat. »Ich freue mich schon darauf, bei den Gottesdiensten daraus zu lesen«, beteuert er.

Artikel vom 20.02.2007