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Über den Dialog
Zugang zum
Islam gewinnen

SPD-Politiker besuchen Vatan-Moschee

Von Peter Monke (Text und Foto)
Brackwede (WB). Islam, Koran oder Moschee sind Begriffe, die viele Menschen mit negativen Emotionen besetzen. Vorurteile abzubauen und den Dialog der Religionen zu fördern, hat sich die SPD Brackwede zum Ziel gesetzt. Eine Abordnung des Stadtverbandes besuchte jetzt zum dritten Mal die Vatan-Moschee an der Windelsbleicher Straße, um mit der Glaubensgemeinschaft ins Gespräch zu kommen.

Geredet wurde über die Lebensbedingungen, Probleme und Wünsche von Menschen mit Migrationshintergrund. Sorge bereitet vielen türkischen Familien vor allem, dass ihre Kinder und Jugendlichen in der Schule nur schlecht vorankommen und daher schlechte Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt haben. Ergün Cin, Vorbeter in der Vatan-Moschee, sprach sich für eine stärkere, möglichst individuelle Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund aus. Eines seiner Kinder besuche die Marktschule und habe das Glück, eine engagierte Lehrerin zu haben, die dafür sorge, dass sie sprachlich schnell vorankomme. Sein jüngeres Kind dagegen besuche die Südschule und erhalte keine individuelle Förderung. Obwohl man Sprachen in jungen Jahren eigentlich besser lerne, seien hier nur langsame Fortschritte zu verzeichnen.
Dr. Bernd Brunemeier, stellvertretender Bezirksvorsteher von Brackwede, ermunterte die türkischen Familien, die sprachliche Förderung ihrer Kinder selbst stärker in die Hand zu nehmen: »Schauen sie deutsche Fernsehsender, und lesen sie nicht nur Hürriyet sondern auch deutsche Zeitungen.« Daneben seien die Angebote der Offenen Ganztagsschule (OGS) besonders zu empfehlen. »Wir sehen aktuell, dass viele türkische Eltern ihre Kinder von der Ganztagsbetreuung abmelden, weil sie das Essensgeld von 42 Euro im Monat nicht zahlen können. Hier müssen wir uns etwas einfallen lassen, denn die OGS ist gelebte Integration«, sagte Helga Gießelmann, SPD-Mitglied in der Brackweder Bezirksvertretung.
Grundsätzlich herrschte Einigkeit darüber, dass die Beherrschung deutscher Sprache und Kultur unerlässlich sei, damit Integration gelingen könne. Eine Verknüpfung der Kulturen könne zum Beispiel über Islam-Unterricht in deutscher Sprache erfolgen: »Wichtig ist, dass unseren Kindern vermittelt wird, was der Islam ist und wofür er steht. Wenn Deutsch die Sprache ist, in der die junge Generation das am besten versteht, haben wir kein Problem damit«, sagte Mehmet Sabanci, Pressesprecher der türkischen Glaubensgemeinschaft.
Kontrovers wurde dagegen über das Kopftuch debattiert. Brunemeier betonte, dass es grundsätzlich egal sei, wie sich jemand kleide, solange dies rein religiöse Motive habe. Sei jedoch politische Ideologie mit im Spiel, komme es zum Konflikt mit der deutschen Verfassung, da hierzulande die strikte Trennung von Staat und Kirche gelte. Im Übrigen werde die gleiche Debatte in der Türkei geführt. Im öffentlichen Dienst oder an Universitäten sei das Kopftuch dort ebenfalls verboten.
Eine Führung durch die Vatan-Moschee rundete den SPD-Besuch ab. Sabanci gab ein paar statistische Zahlen preis. Danach umfasst die Glaubensgemeinschaft aktuell etwa 350 Mitglieder - 50 davon Frauen - von denen 90 Prozent aus Brackwede stammen. Grundsätzlich handele es sich um eine politisch gemäßigte Vereinigung, »das steht sogar in unserer Verfassung«. Ohnehin sei der türkische Islam wesentlich liberaler als der radikale, arabische Islam.
Vorbeter Cin demonstrierte den Besuchern einen Ruf zum Gebet. Besprochen wurde anschließend die Frage eines Minaretts: »Viele Gläubige unserer Gemeinschaft wünschen sich das, denn ohne Minarett ist eine Moschee nicht vollständig.« Brunemeier riet von dem Vorhaben ab: »Wenn sie ein Minarett beantragen, werden sie viele Diskussionen lostreten, die ihnen derzeit erspart bleiben.«

Artikel vom 20.02.2007