20.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bomben sollen Friedenszug von
Indien nach Pakistan stoppen

Anschlag: 67 Tote - Versöhnungsprozess der lange Verfeindeten geht weiter

Von Can Merey
Neu Delhi (dpa). Die Brandbomben in den zwei Wagen des Zuges nach Pakistan explodierten gegen Mitternacht, dann muss ein wahres Flammenmeer die wehrlosen Passagiere verschlungen haben. Mindestens 67 Menschen verbrannten bei lebendigem Leibe oder erstickten.

Die Leichen seien bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Man könne nicht erkennen, ob es sich bei den Toten um Männer oder Frauen gehandelt habe. Der Anschlag am Tag vor dem Besuch des pakistanischen Außenministers Khurshid Mahmud Kasuri in Neu Delhi galt dem »Friedenszug« - und dürfte auf den indisch-pakistanischen Friedensprozess gezielt haben.
Die Bahnlinie ist ein Barometer der Beziehungen zwischen den lange verfeindeten und inzwischen um Versöhnung bemühten Atommächten. 1976 rollte der Samjhauta Express - Samjhauta heißt Verständigung - das erste Mal zwischen Neu Delhi und Lahore. Nach einem Anschlag auf das indische Parlament Ende 2001, der fast zum Krieg mit Pakistan führte, wurde der Betrieb eingestellt.
Als eine der ersten »vertrauensbildenden Maßnahmen« nach Beginn der Friedensgespräche vor drei Jahren wurde die als »Friedenszug« bekannte Bahn wieder auf die Schiene gesetzt. Der Samjhauta Express ist eine von nur zwei Bahnlinien zwischen den Nachbarn - und ein symbolträchtiges Ziel.
Der indische Bahnminister Lalu Prasad Yadav sprach nach dem Blutbad von einem »Terrorakt« und zog Parallelen zu den Anschlägen von Bombay vor sieben Monaten. In der westindischen Finanzmetropole töteten muslimische Extremisten - die den Friedensprozess ablehnen - im Juli vergangenen Jahres bei einer Bombenserie in Vorortzügen 186 Menschen. Ganz Indien war damals schockiert, einmal mehr warf Neu Delhi Islamabad Unterstützung von Terroristen vor. Dieses Mal ist vieles anders: Gestern waren Inder und Pakistaner in ihrem Leid vereint.
Erstmals wurden beide gemeinsam zum Anschlagziel. Der Tatort lag zwar in Nordindien, die meisten der Opfer aber waren Pakistaner, die nach Verwandtenbesuchen zurück in ihre Heimat fahren wollten. Inder und Pakistaner beteten, dass die vielen Verletzten überleben mögen.
Angesichts der Trauer auf beiden Seiten der Grenze blieben die nach Anschlägen sonst fast reflexhaften Schuldzuweisungen Indiens gegen Pakistan dieses Mal zunächst aus. Stattdessen versprach Bahnminister Yadav auch den pakistanischen Hinterbliebenen jeweils eine Million indische Rupien (17 300 Euro) Entschädigung - ein Vielfaches dessen, was die indische Bahn üblicherweise bei Unfällen zahlt. In der Tat müssen sich nun wohl eher die Inder unangenehme Fragen gefallen lassen. Etwa jene, wie Attentäter gleich mehrere Brandbomben in einen Zug schmuggeln konnten, der normalerweise streng gesichert hätte sein müssen.
Mehr als fraglich ist, ob es den Attentätern tatsächlich gelungen ist, den Friedensprozess zu torpedieren - oder ob sie ihn möglicherweise sogar vorangetrieben haben. Außenminister Khurshid Mahmud Kasuri sagte nach dem Anschlag, er halte an seiner Reise nach Neu Delhi heute fest. Ganz oben auf dem Programm beim Treffen mit seinem indischen Amtskollegen Pranab Mukherjee werde nun eine gemeinsame Initiative zur Terrorbekämpfung stehen.

Artikel vom 20.02.2007