20.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Altstadt-Anschlag war Racheakt

Gezielter Beinschuss: Fahndung wegen gefährlicher Körperverletzung

Von Uwe Koch,
Carsten Borgmeier
und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Bei der Schießerei an der Ritterstraße könnte es sich nach Ansicht der Polizei um einen Racheakt handeln. Der Schütze, ein 27-jähriger Serbe, ist flüchtig. Nach dem Mann wird allerdings nur wegen gefährlicher Körperverletzung gefahndet. Nach Angaben von Staatsanwalt Hans-Dieter Heidbrede hat er sein Opfer mit einem gezielten Schuss verletzt.

Der 38-jährige Montenegriner Nebojsa A. hielt sich am Sonntag nachmittag im Wettbüro »Tipico Sportwetten« an der Ritterstraße auf, als um 15.30 Uhr der Serbe Fikret L. (27) das Lokal betrat. »Er hat zu mir gesagt: ÝKomm raus!Ü«, schilderte Nebojsa A. gestern die Sekunden, bevor die Schüsse fielen. Er sei der Aufforderung gefolgt, habe auf dem Gehweg direkt vor Fikret L. gestanden. Der Serbe habe eine Pistole in der Hand gehalten und sofort geschossen. Drei Projektile aus der 9-Millimeter-Luger schlugen zunächst auf den Asphalt ein, eine Kugel durchschlug den rechten Schienbeinknochen des Mannes aus Montenegro. Ein Querschläger traf 40 Meter entfernt den Herforder Dennis S. Der Passant war mit Freunden unterwegs, er erlitt eine schwere Verletzung am Finger.
Der Pistolenschütze lief nach der Schießerei sofort in Richtung des Klosterplatzes, wo er vermutlich in einen dunklen Audi A8 stieg, der dort mit laufendem Motor und zwei Personen besetzt auf Fikret L. wartete. Der Audi fuhr über die Klosterstraße und die Alfred-Bozi-Straße in Richtung Brackwede, missachtete dabei eine rote Ampel. Dabei soll es fast zu einer Kollision mit einem Buli oder einem Van gekommen sein, dessen Fahrer nun von der Polizei als Zeuge gesucht wird.
Fikret L. ist der Polizei und der Justiz aus verschiedenen Strafverfahren bekannt. Verteidigt wurde er stets vom Bielefelder Rechtsanwalt Dr. Detlev Binder. L. soll Vorstrafen wegen Diebstahls und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis haben. Durch Gewaltdelikte, so Binder, sei er bisher noch nicht aufgefallen. Fikret L. wohnte früher in einer Wohnung an der Mauerstraße, also nur wenige Meter vom Tatort entfernt. Dort hielt er sich gestern nicht mehr auf.
Staatsanwalt Hans-Dieter Heidbrede bestätigte am Montag die Fahndung nach Fikret L. Nach Einschätzung des Anklägers werde gegen den Mann allerdings nicht wegen eines versuchten Tötungsdeliktes ermittelt. »L. hat den Mann offensichtlich nicht töten wollen«, das erkläre auch die drei Schüsse auf das Pflaster. Der Serbe werde demnach wegen gefährlicher Körperverletzung gesucht. Auf dieses Delikt stehen Strafen zwischen drei Monaten und zehn Jahren Haft. Heidbrede will indes am heutigen Dienstag beim Haftrichter einen Haftbefehl gegen Fikret L. beantragen. Binder mochte gestern nicht ausschließen, dass sein Mandant vielleicht auch in Notwehr gehandelt haben könne.- Im März 2006 war es an der Jöllenbecker Straße zu einer Straftat mit ähnlichem Verlauf gekommen. Ein Serbe (32) hatte mit einer scharfen Waffe auf zwei Landsleute aus Oberhausen geschossen, einen von ihnen durch einen Schuss ins Bein verletzt. Anfang Dezember 2006 war ein 22-jähriger Aserbeidschaner vor einem Schnellimbiss in Brackwede angeschossen worden. Auch er erlitt einen Beinschuss.
Tatopfer Nebojsa A. bestritt am Montag gegenüber dem WESTFALEN-BLATT, vor der Schießerei eine Auseinandersetzung mit dem Serben gehabt zu haben. Er kenne Fikret L. nur über einen Bekannten. Verwicklungen in bisherige Auseinandersetzungen von Personen aus dem früheren Jugoslawien bestritt A. nachdrücklich. Der Mann wurde in der Klinik Gilead I operiert, er ist auf dem Weg der Besserung.
»Tipico«-Inhaber Harun Karali (34) will in seinem Wettbüro nun Videokameras einbauen lassen. Dadurch sollen seine Kunden besser geschützt werden.

Artikel vom 20.02.2007