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Goldbär für die arme
mongolische Bäuerin

Chinesischer Film Überraschungssieger der Berlinale

Von Elke Vogel und Peter Claus
Berlin (dpa). Es war eine Entscheidung für die Poesie, aber auch ein politisches Signal. Der Goldene Bär der 57. Internationalen Filmfestspiele Berlin ging am Samstagabend überraschend nach China.

Mit »Tuyas Ehe« von Wang Quan'an zeichnete die Berlinale-Jury unter Vorsitz von US-Regisseur Paul Schrader einen ebenso poetischen wie sozialkritischen Film über das harte Leben in der Inneren Mongolei aus. Er erzählt humorvoll und berührend vom Kampf einer Bäuerin um eine gesicherte Zukunft in einer sich rasant verändernden Zeit.
Für Deutschland holte Nina Hoss für ihre Titelrolle in Christian Petzolds »Yella« einen Silbernen Bären als beste Schauspielerin. Sie spielt in dem von den Zuschauern kontrovers diskutierten Film um eine Ostdeutsche in der Welt des Kapitalismus eindringlich ihre Fähigkeit zu minimalistischer Charakterzeichnung aus. Die schon mehrfach ausgezeichnete Berlinerin hat damit einen Höhepunkt ihrer Karriere erreicht. »Mein Herz schlägt so doll, damit habe ich nicht gerechnet«, sagte die 31-Jährige, die nach Julia Jentsch und Sandra Hüller die Reihe der deutschen Bären-Gewinnerinnen fortsetzt.
Martina Gedeck nahm stellvertretend für das Ensemble von Robert De Niros CIA-Thriller »Der gute Hirte« einen Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Leistung entgegen. In dem Hollywoodfilm spielt sie an der Seite von Matt Damon und Angelina Jolie. Der zweite deutsche Wettbewerbsbeitrag »Die Fälscher« von Stefan Ruzowitzky ging leer aus. Den Preis für den besten Schauspieler erhielt der Argentinier Julio Chávez für seine Leistung in Ariel Rotters Film »Der Andere« über das Suchen und Finden von Identität. Der Film gewann auch den Großen Preis der Jury.
»Heute ist ein schöner Traum für mich Wirklichkeit geworden«, sagte Wang Quan'an, der für seinen Film auch den Preis der Ökumenischen Jury erhielt. »Der Film zeigt, wie wir im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung auch Kulturelles verlieren können«, so der Regisseur. Der Preis werde der Filmbranche seines Landes Glück bringen. Auch Deutschland hat seinen Anteil am Gewinner-Film. Kameramann von »Tuyas Ehe« ist der Berliner Lutz Reitemeier (»Die Spielwütigen«).
Tuyas Ehemann ist nach einen Unfall behindert. Pragmatisch entscheidet er, dass seine Frau sich einen neuen Gatten suchen soll, um den Lebenserhalt der Familie in dem fruchtlosen Landstrich zu sichern. Doch die Liebe macht der Entscheidung des Kopfes einen Strich durch die Rechnung.
Politisch begründet ist sicher auch die Jury-Entscheidung, den Israeli Joseph Cedar für seinen Film »Beaufort« als besten Regisseur auszuzeichnen. Das Drama erzählt von der letzten Militäreinheit Israels, die vor dem Abzug aus dem Libanon im Jahr 2000 im Süden des Landes stationiert war.
Die Jury entschied an Publikums-Favoriten wie Sam Garbarskis »Irina Palm« oder Jiri Menzels »Ich habe den englischen König bedient« vorbei. Insgesamt war es ein eher mittelmäßiger Festival-Jahrgang. Dafür standen so viele internationale Stars wie noch nie auf dem roten Teppich vor dem Berlinale-Palast.

Artikel vom 19.02.2007