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»Bitte, bitte, spuck mich wieder aus«

Gewitter reißt deutsche Gleitschirmfliegerin in 10 000 Meter Höhe

Sydney (dpa). Es war das wahnwitzigste Abenteuer ihres Lebens: Binnen weniger Minuten wurde die deutsche Gleitschirmfliegerin Ewa Wisnierska in Australien von einem Gewittersturm in fast zehn Kilometer Höhe gerissen - und überlebte trotz minus 50 Grad eisiger Kälte und extrem dünner Luft.

»Ich bin überrascht, dass das alles so gut ausgegangen ist«, sagte die 35-Jährige. Tragisch dagegen endete der Trainingsflug nahe Tamworth, 250 Kilometer nord-westlich von Sydney, für einen 42 Jahre alten Gleitschirmpiloten aus China: Er kam in dem Sturm ums Leben. Seine Leiche wurde 75 Kilometer entfernt gefunden.
Der Tag hatte für die Flieger ganz normal begonnen. Vom Südwind getragen sei man kilometerweit Richtung Norden geflogen, berichtete Wisnierska. Zwar hätten sich rechts und links Schauer gebildet, diese seien aber ausreichend weit entfernt gewesen. Plötzlich aber hätten sich zwei der Wolken in der Flugbahn zu einem Gewitter verbunden. »Auf einmal ging's dann mit 20 Meter pro Sekunde hoch. Ich wurde von der Wolke dann immer höher und höher eingesaugt.« Sie habe nur noch gedacht: »Bitte, bitte, spuck mich irgendwo raus.« Ihr Schirm sei aber wie in einem Aufzug mehr als 9900 Meter hoch gerast. In diesen Bereichen fliegen sonst nur noch Passagierflugzeuge. Nur sehr gut trainierte Menschen können nach Angaben von Fliegerärzten in einer solchen Höhe überleben. »Die Kräfte sind unvorstellbar. Man ist wie ein Blatt, das in die Luft getragen wird«, sagte die 35-Jährige. Es sei »wahnsinnig kalt« gewesen, sie habe zeitweise das Bewusstsein verloren.
Als sie etwa eine halbe Stunde später wieder zu sich gekommen sei, habe ihr Höhenmesser noch bei 6900 Metern gestanden, sagte die aus dem rheinland-pfälzischen Nassau stammende Fliegerin. Sie sei Richtung Boden getrudelt und 500 Meter von einem Bauernhof entfernt gelandet. Ihre Gliedmaßen waren steif und ihre Kleidung am Körper festgefroren.
Wisnierska, genannt »Birdy«, ist Mitglied der deutschen Nationalmannschaft und eine sehr erfahrene Fliegerin. Sie liebe die totale Freiheit beim Fliegen, betonte die Frau, die vor zwei Jahren Vize-Weltmeisterin im Gleitschirmfliegen wurde. Zwischen den Wettkämpfen arbeitet sie als Fluglehrerin bei der Flugschule AIR-touch in Nassau. Sie sei besonnen und wisse, was sie tue, sagte der Inhaber der Flugschule. Ihm sei kein anderer Fall bekannt, in dem ein Gleitschirmflieger eine ähnliche Situation überlebt habe. »Ihre Überlebenschancen waren so klein wie ein winziger Tropfen in einem riesigen Ozean«, sagte ein Experte.

Artikel vom 17.02.2007