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Wladimir Putin

»Ein Macht- und Entscheidungszentrum ist für die Welt unannehmbar. Es ist vernichtend.«

leitartikel
Sergej Iwanow

Den Tag
nach Putin im Blick


Von Reinhard Brockmann
Heißt Wladimir Putins Nachfolger Sergej Iwanow? Oder doch Dimitri Medwedew, den der Westen und die Wirtschaft vorziehen?
In der mitnichten lupenreinen Demokratie der neuen Rohstoff-Zaren segelt Vieles wieder auf Sowjetkurs. Nach den Regeln der zwischenzeitlich eingemotteten Kreml-Astrologie liefe es jedenfalls auf den Armee- und KGB-geeichten Apparatschik Iwanow hinaus. Dessen aktuelle Beförderung zum »Ersten Stellvertretenden Regierungschef« brachte ihn zwar nur auf Ballhöhe mit Medwedew, dem bisherigen Favoriten für die Putin-Nachfolge. Aber das gilt nur auf den ersten Blick. Statt für das prügelnde und saufende Militär zu stehen, glänzt Iwanow fortan vor den Wählern mit Wirtschaftserfolgen.
Nur scheinbar gleichauf und dennoch etwas weiter vorn liegt Iwanow auch, weil er der ideale Garant fürs Roll Back wäre.
Putins Schreckschussrede von München ist nach dieser Denkschule mehr als ein Ausrutscher. Sie fügt sich nahtlos ein in die Drohung zur Kündigung des INF-Mittelstrecken-Abkommens und auch das Gewährenlassen der Iraner in Russlands südlicher Interessensphäre. Man muss schon fragen, warum Raketen bei Teheran Moskau weniger irritieren, als geplante Abschussrampen und Radaranlagen zwischen Warschau und Prag?
Noch einmal Putin: »Eine monopolare Welt, das heißt: ein Machtzentrum, ein Kraftzentrum, ein Entscheidungszentrum. Dieses Modell ist für die Welt unannehmbar. Es ist vernichtend«. Spricht hier der Erbe eines 1990 zusammengebrochenen Regimes oder der Kopf einer genesenen Großmacht, die sich zurückmeldet im Club der Schwergewichte? Stehen die internationalen Beziehungen vor einer neuen Eiszeit, für die Moskaus gerade den passenden Eismann sucht?
Wir wissen es nicht, noch nicht.
Putins neue Schärfe hatte einen Vorlauf und die heißt Dick Cheney. Viele in Europa sehen in dem Vize-Präsidenten der USA und Außenministerin Condoleezza Rice die wahren neuen kalten Krieger. Am Irak gescheitert suchen und finden sie angeblich nur noch dort Nibelungentreue, wo der russische Bär bis heute am meisten gefürchtet wird. In Vilnius, der baltischen Kapitale, hatte Cheney sein Weltbild zuvor in einer markigen Rede so laut gezimmert, dass das Getöse in Moskau nicht überhört werden konnte.
Teilnehmer der Münchener Sicherheitskonferenz schildern Iwanow als umgänglichen Mann, der gutes Benehmen an den Tag legt und - anders als Putin - sogar Humor habe. Angesichts der kommenden Kraftzentren in China und auch Indien wollen manche in der alten Welt lieber Seite an Seite mit Russland den neuen Herausforderungen begegnen.
Vielleicht müssen sie auch gar nicht auf Putin verzichten. Der will zwar nicht die Verfassung ändern, aber eine dritte Amtszeit ist dennoch möglich - nach vier Jahren überbrückt von einem treuen Platzhalter. Und einen Warteraum gäbe es auch: Den Palast des Ministerpräsidenten.

Artikel vom 17.02.2007