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Jontefs Interpretationen
dringen bis in das Mark

Gastspiel des Quartetts als Wechselbad der Gefühle

Von Gustav-Adolf Lent (Text und Foto)
Senne (WB). »S«is gut! - sagt a Jid, wenn es ihm schlecht geht!« - Unter diese Devise stellte die Gruppe Jontef aus Tübingen ihr neues Programm mit jiddischen Liedern und Geschichten, mit dem sie im Schulzentrum Senne gastierte.

Bereits 2006 faszinierten die Musiker Joachim Günther (Klarinette/Akkordeon und Komponist), Wolfram Ströle (Violine/Gitarre), Peter Falk (Bass) und der in Israel geborene Michael Chaim Langer (Sänger/Schauspieler) das Senner Publikum. Jetzt wurden 150 Zuhörer erneut einem musikalischen Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Es reichte von überschäumender Freude in den Tänzen bis zum betroffen machenden Gebet „El male Rachamin“, das an die Opfer des Holocaust erinnert.
Mit ihrer Weltmusik (Klezmer- Musik), die sowohl irische Folkelemente, die Zigeunertonleiter mit ihren fünf Tönen, als auch russische und polnische Tanzrhythmen enthält, möchten die vier Musiker dem Hörer die Sorgen und Nöte im jiddischen Städtchen „Bels“ nahe bringen. Hier wurde viel gelacht und bei Hochzeiten ausgelassen getanzt. Neben diesen als »Freilach, Akkordeon wolach oder polnischer Freilach« bezeichneten virtuos musizierten Tänzen, die einem Bewegung in die Beine treibt, standen »Doine«, die als Virtuosenstücke fürs Ohr bestimmt waren. Hier erwiesen sich Wolfram Ströle mit seiner Violine und Joachim Günther mit Klarinette und Akkordeon als wahre »musikalische Hexenmeister«. Ohne eine geschriebene Note zu gebrauchen, steigerten sich beide zeitweise in einen Spielrausch. Zu allem lieferten Peter Falk auf dem Kontrabass und Chaim Langer auf verschiedenen Instrumenten die rhythmische Balance.
Das mehrfach mit Kleinkunstpreisen ausgestattete Quartett Jontef beeindruckte das lebhaft applaudierende Publikum nicht nur mit technischem Können, sondern vor allem mit ihrer bis ins Mark dringende Interpretation der Lieder, die sich mit Vertreibung und Ermordung der Juden befassten. Michael Chaim Langer, dessen Vater das Warschauer Ghetto überlebte, erschütterte mit dem Lied »Bleib gesund mir, Krakau« des dort ermordeten M. Gebirtig. Wie ein jüdischer Kantor singend, öffnete er nicht nur seine Seele, sondern auch die seiner Zuhörer.
Die kaum auszuhaltende Spannung wurde aber sofort durch den nahtlosen Übergang in einen Tanz mit jauchzender Klarinette oder schluchzender Violine entschärft. Zur Auflockerung trugen auch die eingestreuten jiddischen Anekdoten bei, die Schauspieler Langer augenzwinkernd ins Programm einstreute. Die Mischung aus chassidischen Weisheiten und musikalischem Esprit hinterließ ein stark beeindrucktes Publikum, das die Gruppe Jontef erst nach einer witzigen Zugabe mit riesigem Beifall entließ - mit dem Wunsch nach baldiger Wiederbegegnung.

Artikel vom 19.02.2007