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Routine darf es niemals geben

Forstamt Bielefeld bietet 30 Männern Lehrgang zum Motorsägenschein

Von Michael Diekmann
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). »Die Bruchleiste ist die Lebensversicherung der Waldarbeiter«, sagt Uwe Tiemann und erklärt seiner Gruppe die drei Teile des oberen Baumstumpfes. Zwischen den Schnittflächen die entscheidende Leiste, ein Steg, der wie ein Scharnier über die Fallrichtung entscheidet. Fachgerechtes Fällen eines tonnenschweren Baumes - 30 Männer aus ganz Ostwestfalen haben es in dieser Woche von Profis gelernt. Tiemann: »Motorsägenkurse sind nicht nur sehr gefragt. Sie sind Voraussetzung, um überhaupt im Wald arbeiten zu dürfen.«

Flimmernde Schwarzweiß-Wochenschau mit Forstromantik der Fünfziger Jahre, Multimedia mit detailgenauer Information, eingestreut eine pointierte Anekdote von Uwe Tiemann oder seinem Kollegen Markus Rübsahm. Die Herrenrunde hört aufmerksam zu, was die zwei Forstwirtschaftsmeister des Forstamtes Bielefeld erklären und demonstrieren. Erster Tag: Theorie in den Räumen von proWerk. Der Bethel-Betrieb, freut sich Rübsahm, ist der ideale Gastgeber. Neben dem Vortragsraum gibt es gleich eine Werkstatt.
Am Vormittag gibt es theoretisches Basiswissen, am Nachmittag Praxis an der Motorsäge. Reparaturen, Service, wichtige Handgriffe vermitteln die Fachleute in Grün. Rübsahm: »Manch Hobbysäger hat noch nie den Luftfilter gereinigt. Diesen Überraschungs-Lacher gibt«s bei jedem Kurs.« Kette schärfen, Kette spannen. Für die 30 Teilnehmer aus ganz OWL ist der Lehrgangstag spannender als drei im Wald. Informationen im Minutentakt. Und 120 Interessenten warten bereits auf die nächsten Kursangebote.
Taschenkeile, Wendehaken, Packhaken und Fällheber, Spaltaxt oder Fällkeile - wichtige Utensilien im Wald, und ganz nebenbei viele praktische Sachen, die man sich von der Liebsten zu Weihnachten schenken lassen kann. Der Trend in den Wald ist stetig steigend. Nicht erst seit Supersturm Kyrill, der Stämme knicken ließ wie Streichhölzer. Manch einer, der nach Kyrill seine private Holzernte einfahren und sich beim Förster einen Sammelschein holen wollte, bekam eine Absage. Tiemann: »Ein Motorsägenschein ist zwingend vorgeschrieben.« Was in öffentlichem Forst gilt, wird auch in immer mehr Privatwäldern eingehalten. Die Berufsgenossenschaft legt Wert auf Sicherheit.
Parick Plattner (29) ist eigentlich Chemiker, schreibt an der Uni gerade die Doktorarbeit. Hobby: Waldarbeit mit Vater Christian. Den Sägeschein gab es als Geschenk von der Freundin. Georg Wilhelm Ellersiek(60) kommt aus Spenge. Am Samstag, wenn es in den Wald geht, will der Stadtgärtner den Schein sehen. Jochen Beckmann (52) aus Enger sägt bei Bekannten im Privatwald. Die fordern die Ausbildung, aus Haftungsgründen. Beckmann: »Viel wichtiger ist aber doch die eigene Sicherheit.«
In der Tat, einem Baum aus der Senkrechten in die Waagerechte zu verhelfen, ist nicht einmal die Hälfte der Miete. Bevor Tiemann überhaupt jemanden ausrücken lässt mit Werkzeug und der Kettensäge, wird die Schutzkleidung kontrolliert. Hosen mit Schnittschutz, Schuhe mit Schnittschutz, Handschuhe, Helm mit Ohrenschutz und Visier. Nicht schön, aber lebensnotwendig. Dazu eine Jacke in Leuchtorange, um im Unterholz gesehen zu werden. Natürlich Verbandskasten und ein Handy für eventuelle Notrufe.
Umsicht, Vorsicht, Rücksicht, richtiges Sperren des Arbeitsbereichs. Die Profis vom Forst lassen keine Frage unbeantwortet. Besonders engagiert ist Tag zwei des Lehrgangs. Direkt am Objekt, je fünf Kursteilnehmer lassen unter Aufsicht die Kette fliegen. »Da sieht man die Erfahrung«, schwärmt Ingo Brüning. Fasziniert verfolgt das Quintett, wie Lehrmeister Uwe Tiemann einer Fichte die kleinen Stoppelälste am Stamm abrasiert - mit 13 000 Umdrehungen. Von Physik hat er gesprochen, von Hebelwirkung, Mechanik und Tonnenlasten. Dann wird es ernst. Gekonnt legt Tiemann eine mächtige Fichte auf die Seite. Mit einem dumpfen Knall kracht der Koloss zu Boden. Routiniert. Aber Uwe Tiemann mahnt: »Routine darf es keinesfalls werden, sondern immer 100 Prozent Konzentration.« Dann ist die Freude an einem prasselnden Holzfeuer um so schöner. Schließlich, sagt der Volksmund, lässt selbst geschlagenes Holz dreimal schwitzen. Beim Spalten, beim Stapeln und ganz am Ende beim gemütlichen Verheizen im Ofen.

Artikel vom 17.02.2007