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Das war der erste Warnschuss

Spitzenreiter FC Schalke 04 verschenkt in Wolfsburg eine 2:0-Führung

Von Klaus Lükewille
Wolfsburg (WB). Langes Gesicht, leise Stimme. Nicht geschlagen, aber niedergeschlagen, so stand Marcelo Bordon vor dem Kabineneingang. Schalkes Kapitän war ziemlich angefressen: »Wir haben hier zwei wichtige Punkte verschenkt.«

Nach einer halben Stunde war die Partie gelaufen - dachten viele Königsblaue. Die 8000 mitgereisten Fans feierten schon. Denn da führte der Spitzenreiter beim VfL Wolfsburg durch einen Doppelpack von Kevin Kuranyi bereits mit 2:0, beherrschte die Partie eindeutig. Am Ende hieß es aber nur 2:2. Warum? Trainer Mirko Slomka sah es so: »Die Wolfsburger sind stärker geworden.«
Eine Aussage, die ganz stark nach Schutzbehauptung riecht. Denn auch dem Fußball-Fachmann Slomka dürfte sicher nicht entgangen sein, wie fahrlässig seine Schalker das 2:0 verspielten.
Hier übte ein Coach Nachsicht, er wollte die Seriensieger der letzten Wochen wohl nicht öffentlich kritisieren. Dafür sagten dann seine Profis, wie es wirklich war. Kuranyi bekannte: »Wir haben nach der Pause einfach nicht mehr Fußball gespielt. Das war viel zu wenig.« Er hatte das 3:1 auf dem Kopf, aber doch VfL-Schlussmann Simon Jentzsch parierte den Ball glänzend. »Das wäre die Entscheidung gewesen«, blickte Kuranyi enttäuscht zurück: »Das blöde 2:2 war dann die Strafe für unsere lasche zweite Halbzeit.«
Auch der Kapitän ortete in der Einstellung den Fehler: »Wir dachten wohl, wir könnten mit ein bisschen Kickerei den Vorsprung locker über die Zeit bringen. Für mich ist dieses Unentschieden wie eine Niederlage.« Töne, die der Trainer gern hörte. Selbstkritik war ja bisher nicht gerade eine hervorstechende Eigenschaft der Schalker Profis, deshalb ließ Slomka Milde walten: »Man muss auch mal mit einem Unentschieden zufrieden sein. Wir nehmen diesen Zähler jetzt so mit.«
Dass sie es in Wolfsburg aber diesmal nur auf den Punkt gebracht hatten, war der erste Warnschuss für den Titelkandidaten. Gehört haben ihn alle. Trainer. Spieler. Und der Manager. Andreas Müller warnt ja schon seit Wochen: »Wir dürfen nicht überheblich werden, wir müssen in jedem Spiel hundertprozentigen Einsatz zeigen.«
Gegen Wolfsburg stimmten Konzentration und Engagement nur eine Halbzeit, dann vertändelten die Königsblauen den Erfolg und den Vereins-Rekord. Denn es wäre Sieg Nummer sieben in Folge gewesen, die Bestmarke wurde verpasst. Spitzenmäßige Serientäter bleiben die Schalker aber trotzdem. Seit 13 Spielen sind sie ungeschlagen, Manuel Neuer hat in 15 Liga-Auftritten bisher keinmal verloren. Der junge Torwart sah allerdings beim entscheidenden 2:2 auch nicht gut aus. Bordon schilderte sie Szene später so: »Jeder weiß, das Marcelinho saugefährliche Freistöße schießen kann. Wir haben alle gepennt. Wer nimmt den Ball? Du, er oder ich? Und dann war er drin.«
Und zwei Punkte weg. Jetzt führt Schalke »nur« noch mit fünf Zählern vor dem VfB Stuttgart, aber bereits mit sieben vor Werder Bremen. Dabei hätte die Differenz bei etwas mehr Konzentration in der 89. Minute bei sieben und neun liegen können. Doch auch hier stellte sich Slomka hinter seine Mannschaft: »Es gibt Tore, die kann man nicht verhindern. Dieses 2:2 gehörte dazu.« Wirklich?
Jetzt haben die Schalker zwei Hausaufgaben, gegen Leverkusen und den HSV. Hier müssen sie allerdings eine weitere Stütze ersetzen. Peter Lövenkrands zog sich einen Bänderriss zu, der Däne fällt sechs Wochen aus. Zuletzt Gustavo Varela, diesmal Lövenkrands. Eine schwarze Serie der Königsblauen. Wenn die so weiter geht, wenn sich in jeder der nächsten zwölf Partien ein Schalker schwer verletzt, dann wird das nichts mit der Deutschen Meisterschaft.

Artikel vom 19.02.2007