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Madrid-Bombenleger vor Gericht

29 Angeklagte in einem der bisher größten Terror-Prozesse Europas

Madrid (dpa). Knapp drei Jahre nach den verheerenden Anschlägen in vier Madrider Vorortzügen mit 191 Todesopfern müssen sich die mutmaßlichen Bombenleger und ihre Helfer vor Gericht verantworten.

In dem gestern eröffneten »Jahrhundertprozess« um die blutigsten Terrorakte in der spanischen Geschichte sitzen 29 Verdächtige auf der Anklagebank. Ihnen wird zur Last gelegt, einer islamistischen Terrorzelle angehört zu haben, die am 11. März 2004 insgesamt 13 Bomben in vier Madrider Pendlerzüge versteckt hatte.
Zum Auftakt des Prozesses vor dem Nationalen Gerichtshof wurde der Ägypter Rabei Osman el Sayed vernommen, der laut Anklage einer der Chefideologen und Anstifter der Terroristen gewesen sein soll. Der 35-Jährige bestritt alle Vorwürfe. Er habe mit den Anschlägen nichts zu tun gehabt. »Mohammed, der Ägypter«, wie er in Spanien genannt wird, ist nach der Anklageschrift einer der sieben Hauptangeklagten. Er war im November 2006 in Italien wegen terroristischer Aktivitäten zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Zu den Hauptangeklagten gehören ferner zwei Marokkaner und ein Syrer, die einen Teil der Bomben in die Züge gebracht haben sollen, sowie zwei weitere Marokkaner, die zu den ideologischen Führern gezählt werden, und ein Spanier, der den Terroristen den Sprengstoff beschafft haben soll.
Die Staatsanwaltschaft forderte für diese Gruppe jeweils fast 40 000 Jahre Haft. Im Falle einer Verurteilung müssten die Betreffenden nach spanischem Recht höchstens 40 Jahre verbüßen. Für die übrigen Angeklagten verlangt die Staatsanwaltschaft vier bis 24 Jahre Haft. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Die Urteile werden im September erwartet.
Von den 13 Bomben, die die Terroristen am 11. März 2004 in den Zügen versteckt und per Handy gezündet hatten, explodierten zehn. Dabei wurden 191 Menschen in den Tod gerissen und 1824 verletzt. Sieben mutmaßlichen Bombenlegern kann nicht mehr der Prozess gemacht werden. Sie hatten sich drei Wochen nach den Anschlägen in die Luft gesprengt, als sie in einer Wohnung in der Madrider Vorstadt Leganés von der Polizei umstellt worden waren.
Dem Prozess wohnten auch zahlreiche Opfer der Anschläge bei. Mehr als ein Viertel der Opfer befindet sich heute noch in psychiatrischer Behandlung. Unter den 29 Angeklagten sind 15 Marokkaner, neun Spanier, zwei Syrer sowie je ein Ägypter, Algerier und Libanese. Der Prozess findet in einer Messehalle im Stadtpark Casa de Campo statt, die die Polizei mit Sicherheitsvorkehrungen in eine Festung verwandelt hatte. Ein Teil der Angeklagten verfolgt den Prozess in einem Kasten aus kugelsicherem Glas.
Das Gericht wird 600 Zeugen und 100 Sachverständige anhören. Es steht unter Zeitdruck, da bei Verzögerungen ein Teil der Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen werden müsste. Die Obergrenze für die U-Haft liegt in Spanien bei vier Jahren.

Artikel vom 16.02.2007