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Natur serviert Pollencocktail Anfang März blühen Weide, Esche, Hainbuche, Pappel und Eiche
Die langen Wimpern hat Nina vom Papa, den schön geschwungenen Mund von der Mutter, den Heuschnupfen von beiden. Nina gehört zu schätzungsweise rund fünf Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die unter allergischer Rhinokonjunktivitis, besser bekannt als Heuschnupfen, leiden.
Heuschnupfen ist heute die häufigste allergische Erkrankung bei Schulkindern in Deutschland, sind sich Wissenschaftler und Ärzte einig. Etwa jeder vierte ABC-Schütze plagt sich bereits zum Zeitpunkt der Einschulung mit den klassischen Symptomen, sobald die ersten Pollen und Gräser im Anflug sind: triefende Nase, gerötete, tränende Augen. Bei Teenagern geht die aktuelle Forschung sogar davon aus, dass sich jeder fünfte mit Heuschnupfen herumschlägt. Und, auch das eine neue Erkenntnis: Selbst bei älteren Erwachsenen kommen pro Jahr viele neue Allergiker hinzu.
Bei wem eine allergische Erkrankung tatsächlich ausbricht, lässt sich nach wie vor nicht mit hundertprozentiger Sicherheit vorhersagen. Die Wahrscheinlichkeit jedoch steigt sprunghaft auf bis zu 80 Prozent, wenn bereits Eltern oder andere Verwandte Allergien wie Heuschnupfen haben. Allerdings wird nicht der Heuschnupfen an sich vererbt, sondern lediglich die Neigung dazu. Erst die Kombination von familiärer Disposition plus Pollenkontakt lässt tatsächlich eine Allergie auftreten. Gegen diese genetische Vorbelastung lässt sich bislang nur wenig ausrichten. Andere Risikofaktoren für Allergien wie Passivrauchen, Stress oder übertriebene Hygiene sind dagegen durchaus beeinflussbar.
Der allergische Schnupfen ist eine Überreaktion des Immunsystems. Es kann nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden. Harmlose Blütenpollen werden vom Körper als vermeintlich gefährliche Parasiten identifiziert. Die gesamte Maschinerie der Körperfunktionen wird sofort auf Abwehr geschaltet: Immunzellen setzen Entzündungsstoffe (Histamine) frei, die die Nasenschleimhäute anschwellen lassen, die Schleimproduktion steigern und Juckreiz verursachen. Wenn Ihr Kind zur Pollenflugzeit unter Symptomen wie tränende oder juckende Augen, Niesreiz, Schnupfen, Husten oder Atemnot leidet, sollten Sie umgehend einen Arzt - am besten einen Allergologen oder Kinderarzt - aufsuchen.
Klimawandel und Treibhauseffekt sind für Menschen mit Heuschnupfen längst nicht mehr abstrakt. Ganz im Gegenteil. Wenn plötzlich bereits im Winter die Nase juckt und selbst im September noch die Augen rot anschwellen, spürt jeder Achte in Deutschland die Erderwärmung am eigenen Körper. Haselnuss, Erle und Birke beginnen immer früher zu blühen. Bereits im Dezember und Januar startet damit die Heuschnupfenzeit.
Die ersten Baumpollen schwirren durch die Luft und machen Allergikern das Leben schwer. Noch vor 20 Jahren setzte die Pollensaison gut drei Wochen später ein. Spätestens Anfang März blühen dann Weide, Esche, Hainbuche, Pappel und Eiche und reichern den Pollencocktail in der Luft an.
Hinzu kommen Samen von Pflanzen, die ursprünglich nicht aus Zentraleuropa stammen. Die warmen, trockenen Winde - auch ein Ergebnis des Klimawandels - tragen sie zu uns. Und noch ein negativer Effekt des Klimawandels: Durch die Erderwärmung ist selbst im September noch keine Ruhe vor den Plagegeistern aus der Luft. Für Menschen mit Heuschnupfen schmilzt die Zeit ohne Symptome also auf wenige Wochen im Jahr zusammen. Im Rheinland beispielsweise ist die Luft nur 60 bis 90 Tage im Jahr pollenfrei. An den Küsten dauert die Ruhezeit dagegen noch über 100 Tage, da hier die Luft im November und bis Ende Februar nur gering belastet ist.

Artikel vom 02.03.2007