17.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Wort zum Sonntag

Von Pfarrer em. Hans-Jürgen Feldmann

Hans-Jürgen Feldmann ist Pfarrer im Ruhestand.

Der Mensch unterscheidet sich vom Tier unter anderem durch die Fähigkeit zu lachen. Tiere lachen nicht, selbst wenn es manchmal den Anschein haben sollte. Sie können es gar nicht. Allerdings gibt es auch Menschen, denen dieses Talent abgeht. Zumindest zeigt sich nie ein offenes Lachen auf ihrem Gesicht, nie ein wohliges Schmunzeln auf ihren Lippen, höchstens ein gequältes Lächeln oder gar ein hämisches Grinsen.
Vielleicht sind solche Leute davon durchdrungen, das Leben sei viel zu ernst und gebe zur Heiterkeit keinen Anlaß. Spaß zu haben und selbst Spaß zu machen, ist zumindest nicht ihre Sache. Dafür haben sie persönlich keinen Sinn, und bei anderen verwechseln es gern mit Oberflächlichkeit. Was ihr Verhalten bestimmt und nach außen in Erscheinung tritt, ist der sprichwörtliche »tierische Ernst«, gegen den man in Aachen Karnevalsorden verleiht.
Denn dieser Ausdruck enthält kein Kompliment. Er weist vielmehr auf ein Defizit hin - auf eine Form innerer Unfreiheit und Verkrampftheit, auf eine strukturelle Humorlosigkeit. Was nämlich beim Tier natürlich ist und seinem Wesen entspricht, das ist dem Menschen keineswegs einfach angeboren oder schicksalhaft vorgegeben. Dafür trägt er vielmehr selbst ein Stück weit Verantwortung.
Zweifellos gibt es zwar unterschiedliche Charaktere und Veranlagungen. Der eine nimmt das Leben leichter und blickt optimistisch in die Zukunft. Der andere hingegen ist eher schwerblütig und neigt zum Grübeln und zum Schwarzsehen. Trotzdem ist niemand gezwungen oder gar verurteilt, sich dem einen oder anderen Extrem einfach auszuliefern und preiszugeben. Das Leben besteht schließlich nicht nur aus Gegensätzen, die einander ausschließen, sondern auch und viel mehr noch aus Nuancen und Zwischentönen, die unter den Kontrasten vermitteln. Das gilt auch von den Persönlichkeitsstrukturen der einzelnen und verschiedenen Menschen.
Lachen zu können, ist ein menschlicher Vorzug. Es läßt die Sorgen zurücktreten und macht den Ängsten und der Lebensangst die ersten Plätze streitig. Es befreit, wenn auch nur vorübergehend, von manchem Druck und hilft einem dadurch, neue Kräfte zu sammeln und der Zukunft zuversichtlicher und mutiger entgegenzusehen und zu -treten.
Darin besteht auch eine therapeutische Wirkung des Karnevals. Diese Form von Frohsinn mit ihren oft abgeschmackten Witzen ist zwar nicht jedermanns Sache und soll auch nicht - für Ostwestfalen vielleicht ohnehin ungeeignet - als Allheilmittel angepriesen werden. Trotzdem läßt sich daraus einiges ableiten und lernen.
So gehört zum Wesen des Karnevals zum Beispiel die Verkleidung. Vordergründig betrachtet, handelt es sich dabei nur um einen Jux. Die tiefere Bedeutung aber liegt darin, daß der Mensch durch sie gleichsam in eine andere Rolle schlüpfen kann. Er spielt auf diese Weise Möglichkeiten durch, die sich für ihn im realen Leben nicht ergeben haben oder nicht mehr verwirklichen lassen und die doch in der eigenen Person ebenfalls angelegt sind.
Anders betrachtet: Er tritt in Distanz zu dem Dasein, das er tagaus, tagein führt, und gewinnt dadurch Abstand von seinem eigenen Ich. Er kann sich fragen, was eigentlich komischer ist, die lustige Kostümierung oder das graue Alltagskleid. Er kann die Dinge mit anderen Augen sehen und dabei über vieles lachen - nicht zuletzt über sich selbst.
Über sich selbst lachen zu können, ist vielleicht der Schlüssel zum befreienden Lachen überhaupt. Denn wer das vermag, hat es mit sich selbst leichter und mus sich auch nicht mehr einbilden, alle Probleme lösen zu müssen. Es mag ihm vielmehr dämmern, daß es so etwas wie Gnade gibt, die sein Leben trägt und darüber hinaus die Last der ganzen Welt.

Artikel vom 17.02.2007