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Mit kleinen Gefälligkeiten
zu mehr Einfluss am Hof
»Justinian« verwickelt die Spieler in die Machtspielchen seiner Höflinge
Schmeichler und Lobbyisten gibt es zu allen Zeiten. Einen Höhepunkt erreichte die Günstlingswirtschaft jedoch am Hof von Byzanz, dem heutigen Istanbul. Justinianus I., von 527 bis 565 n. Chr. Kaiser an der Hohen Pforte, liebte den Frieden und entfaltete in besonderem Maße die höfische Pracht.
Auch Korruption will offenbar gelernt sein. Wer den Falschen schmiert, verliert nur Geld, erreicht aber nichts. Zum Glück ist so ein kaiserlicher Hof alles andere als ein statisches System. So bestimmen die Spieler bei »Justinian« selbst mit über Aufstieg und Fall jener Höflinge, um deren Gunst und Unterstützung sie buhlen.
Der Spielplan und die Bilder der zwölf Höflinge auf den Spieltafeln vermitteln einen guten Eindruck von der gediegenen Pracht am Hofe des Kaisers. Jede Spieltafel besitzt drei übereinander liegende Aussparungen. Die Zahlen geben die Siegpunkte an, die man mit diesem Günstling in Runde 1, 2 oder 3 erringen kann. Die Zahlen ändern sich, wenn sich die Positionen der Höflinge ändern. Je höher sie steigen, desto mehr Punkte erzielt der Spieler, der auf sie gesetzt hat.
Statt Geld oder Gold besitzen die Spieler für ihre Bestechungen verschiedene Gaben - kurz: einen Satz von 22 Einflussmarkern. Damit können sie Günstlinge auf- oder abwerten oder wahlweise ihren Einfluss über das Ende einer Spielrunde oder die Gefälligkeit (= Farbe), die gewertet wird, geltend machen. Allerdings sollte jeder mit seinen Einflussmarkern haushalten. Sie sind ein knappes Gut. Auch werden nur drei von vier Gefälligkeiten gewertet. Pech, wer wieder einmal auf die falsche Farbe gesetzt hat. Einen kleinen Nachschub von zwei Einflussmarkern erhält derjenige, der rechtzeitig aus einer Runde aussteigt.
Soll man passen? Oder durchhalten? Oder eine Wertung auslösen?
Da vieles versteckt hinter Sichtschutzwänden geschieht und auch die Einflussmarker zunächst verdeckt gelegt werden, ist es nicht einfach, eine Strategie zu entwickeln. In gewisser Weise ist man stets den Mitspielern ausgeliefert. Damit keiner dem anderen Hinweise gibt, welche Marker mit wie vielen Punkten er gesetzt hat, setzt jedermann sein Pokergesicht auf. Wer hier gewinnen will, braucht auch eine gehörige Portion Glück.
Das Intrigenspiel »Justinian« von Leo Colovini und Alessandro Saragosa, erschienen im Phalanx-Verlag, ist für zwei bis vier Möchtegern-Mitglieder des byzantinischen Hofstaates ab zehn Jahre gedacht. Preis: etwa 30 Euro. Bernhard Hertlein

Artikel vom 17.03.2007