15.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Immer mehr Verbraucherpleiten

Anstieg um ein Fünftel - Experten erwarten Trendwende in diesem Jahr

Von Dirk Schröder
Bielefeld (WB). Die Zahl überschuldeter privater Haushalte hat im vergangenen Jahr in Ostwestfalen-Lippe wie in ganz Deutschland neue Höchstwerte erreicht. Die sich verbessernde Lage am Arbeitsmarkt lässt aber dennoch darauf hoffen, dass sich dieser Negativtrend in diesem Jahr stoppen lässt.

Zu diesem Fazit kommt das Creditreform Kompetenz Center Ostwestfalen-Lippe nach einer Auswertung der überschuldeten Privathaushalte in OWL. Udo Roggenbuck, Dirk Schott und Günter Laue von Creditreform nannten gestern in Bielefeld die Steigerung von 1716 um 19,8 Prozent auf 2055 neue private Insolvenzverfahren »durchaus dramatisch«. Das einzig Positive daran sei, dass es in OWL einen geringeren Zuwachs an privaten Insolvenzen als im bundesweiten Schnitt gab, wo die Steigerungsrate bei 22,1 Prozent lag - auf 121 800 private Insolvenzen.
In ganz OWL stieg die Zahl der überschuldeten Personen auf nunmehr 67 128. Das Thema Überschuldung habe sich zu einem flächendeckenden Problem ausgeweitet und sei nicht nur auf Großstädte und einzelne strukturschwache Regionen beschränkt. Mit insgesamt 12 992 überschuldeten Privatpersonen nimmt die Stadt Bielefeld in Ostwestfalen-Lippe weiterhin die negative Spitzenstellung ein. Danach folgen mit nur geringem Abstand die Kreise Lippe (11993 und Minden-Lübbecke (10173) sowie Herford (9078) und Paderborn (8342). Im ostwestfälischen Vergleich hat der Kreis Höxter weiterhin die geringste Zahl an überschuldeten Privatpersonen (4232) zu vermelden.
Etwas anders sieht das Bild aus, wenn man die ermittelten Zahlen in Relation zur Einwohnerzahl stellt. Doch ist auch in dieser Statistik in Bielefeld die Situation am schlechtesten. Hier sind vier Prozent der gesamten Bevölkerung überschuldet. Im Kreis Herford ist die Situation mit 3,6 Prozent kaum besser. Die weiteren Quoten: Lippe 3,3 Prozent, Höxter und Paderborn je 2,8 Prozent und Gütersloh 2,6 Prozent.
Auch wenn die positive Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung grundsätzlich Anlass zur Hoffnung gebe, sorgen sich die Experten von Creditreform um die über 50-Jährigen, die am Arbeitsmarkt weniger Chancen hätten als junge Leute. »Wie sollen die älteren Schuldner jemals ihre Schulden abtragen können, wenn sie keine Arbeit bekommen?«, fragte Udo Roggenbruck.
Verbessert habe sich die Entwicklung bei der jungen Bevölkerungsgruppe unter 25 Jahre. Gründe dafür seien in den stark vermehrten Bonitätsprüfungen und Prepaid-Systemen zu suchen.
Günter Laue setzte sich dennoch für stärkere Präventionsmaßnahmen ein, damit die jungen Leute nicht in die Schuldenfalle tappen. »Ihnen muss frühzeitig klargemacht werden, welch große Auswirkungen es auf ihren späteren Werdegang hat, wenn sie Schulden machen.« Schon in den Schulen müssten die Jungen und Mädchen den Umgang mit Geld lernen.
Die Creditreform-Experten wiesen gestern zudem auf eine nachlassende Zahlungsmoral hin. Der Bundesverband der Deutschen Inkassounternehmen habe festgestellt, dass in Deutschland vorsätzliche Nichtzahlung zur Gefahr für die Volkswirtschaft werde. Dirk Schott: »Jeder Wirtschaftsteilnehmer sollte konsequent gegen Zahlungsverzug vorgehen oder möglichst vorbeugen. Auch kleinere Zahlungsversäumnisse sind keine Kavaliersdelikte.«
Creditreform setzt sich zudem für die Reform des 2001 eingeführten Verfahrens für Verbraucherinsolvenzen ein. Es gebe eine große Zahl wegen Vermögenslosigkeit erfolglos abgeschlossene Verfahren. Da könne man nicht mehr von einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung sprechen.

Artikel vom 15.02.2007