14.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Religiöse Funktion von
Glocken und Turmuhr

Nicolaikirche: Historiker kritisiert Glasfahrstuhl


Bielefeld (WB/mzh). Der Bielefelder Historiker Harald Propach hat deutliche Kritik an dem projektierten Glasfahrstuhl am Turm der Altstädter Nicolaikirche geübt. »Aus kulturhistorischen wie aus theologischen Erwägungen heraus wäre der Plan kritisch zu überdenken«, meint Propach. »Der Kirchturm ist das Gehäuse der Glocken, die von alters her auf mannigfaltige Weise ins Zusammenleben der Bürger eingreifen.«
Propach, der unlängst die Entstehungszeit des Antwerpener Altars in Altstadt Nicolai mit plausiblen Argumenten auf das Jahr 1524 datierte, plant die Herausgabe eines Buches unter dem Titel »Die Glocken von Bielefeld«, aus dem wir hier vorab zitieren. Ob alter Mechanik gehorchend oder moderner elektronischer Steuerung: »Der Uhrschlag von den Kirchtürmen spielte zur Regelung des städtischen Lebens nicht nur in der täglichen Praxis . . . eine Rolle, sondern findet auch im Bielefelder Stadtrecht von 1685 konkreten Niederschlag.«
Ein Beispiel: Es wurde verordnet, »dass eine Braut zur Trauung in der Kirche Ýauf den Glockenschlag zehnÜ aus dem Hause und unterwegs zur Kirche zu sein habe.« Ebenso strikt wurde das Ende der Hochzeitsfeier auf elf Uhr abends festgesetzt.
Geradezu religiöse Bedeutung kommt nach Propachs Meinung der Kirchturmuhr zu - die von der ausladenden Aussichtsplattform verdeckt zu werden droht. »Für die Nicolaikirche lassen sich sogar Uhren im Inneren des Gotteshauses nachweisen, die alle 15 Minuten anschlugen.« Warum? »Der Glockenschlag konnte einerseits die während der Predigt Entschlummerten in die Realität des Gotteswortes zurückrufen, andererseits sollten die wandernden Uhrzeiger die Kirchenbesucher . . . an die Flüchtigkeit der Zeit und an die eigene Vergänglichkeit erinnern.«
Die Umwidmung des sakralen Bauelements zum profanen Aussichtsturm sieht Propach mit Entsetzen. Er fragt sich, warum architektonische Kultur ohne Not zweckentfremdet werden muss. Und der finanzielle Nutzen? »Es wäre zweifellos ertragreicher, das vorhandene Geld festverzinslich anzulegen.«
Das sagt einer, der als ehemaliger Kirchmeister der Nicolaikirche Spezialist für Geldfragen ist . . .Lokalseite 6

Artikel vom 14.02.2007