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Kajüte ist keine Wohnung

Stadt zieht Steuerbescheid an Marinesoldaten zurück

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Ein früherer Marinesoldat aus Bielefeld muss für sein Zwei-Zimmer-Appartement nun doch keine Zweitwohnungssteuer bezahlen. Die Stadt hat den Steuerbescheid zurückgenommen, über den heute das Verwaltungsgericht Minden verhandeln wollte.
Obermaat Stefan S. wohnte lange auf der »Schleswig-Holstein«.

»Die Kommune hat offenbar eingesehen, dass sie vor Gericht Schiffbruch erleiden würde«, sagte gestern Rechtsanwalt Ulrich Schrade aus Bielefeld, der den früheren Obermaat Stefan S. (31) vertritt. Der Bielefelder hatte acht Jahre bei der Marine in Wilhelmshaven gedient und an Bord der Fregatten »Rheinland-Pfalz« und »Schleswig Holstein« etwa neun Monate pro Jahr auf See verbracht. Die Stadt Bielefeld wertete die Neun-Mann-Kajüte, in der Stefan S. gelebte hatte, als Hauptwohnsitz und verlangte für das 45-Quadratmeter-Appartement des Soldaten in Bielefeld Zweitwohnungssteuer - 600 Euro für zwei Jahre (wir berichteten). Gegen diesen Bescheid hatte der frühere Obermaat geklagt, doch zur Verhandlung kommt es nun nicht mehr. Denn die 11. Kammer des Verwaltungsgerichtes hat bereits im Vorfeld des Prozesses ihre Position zugunsten des Ex-Soldaten dargelegt. In dem Beschluss der Kammer vom 26. Januar, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet wurde (damit brauchte Stefan S. die 600 Euro nicht vor Abschluss des Verfahrens zu bezahlen), heißt es: »Laut Satzung der Stadt Bielefeld gilt als Wohnung jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen genutzt wird. Dem Soldaten standen jedoch nur ein Bett und ein Spind in einer Neun-Mann-Kajüte zur Verfügung.« Dieses könne »selbst bei weiter Auslegung« nicht als Wohnung bezeichnet werden. Wenn der Soldat aber keine Erstwohnung besessen habe, könne auch keine Zweitwohnungssteuer anfallen, befanden die Richter. Auch laut NRW-Meldegesetz sei eine Unterkunft auf einem Schiff keine Wohnung, sie gelte lediglich melderechtlich als solche.
»Nachdem das Gericht seine Auffassung so eindeutig formuliert hat, haben wir aus prozessökonomischen Gründen den Steuerbescheid zurückgezogen«, erklärte gestern Burkhard Schön vom Rechtsamt der Stadt. Damit entgehen voraussichtlich auch zwei weitere Bielefelder Soldaten, deren Fälle noch anhängig sind, der kommunalen Zweitwohnungssteuer.
Der frühere Obermaat Stefan S. sagte gestern, der gesunde Menschenverstand habe gesiegt: »In einer Neun-Mann-Kajüte gibt es keine Privatsphäre. So eine Unterkunft ernsthaft als Hauptwohnung zu bezeichnen ist ein Witz.« Az.: 11 L 913/06

Artikel vom 14.02.2007