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US-Verteidigungsminister Robert Gates

»Ein Kalter Krieg
ist genug.«

Leitartikel
Putins Münchner Rede

Die Welt ist
unsicherer
als gedacht


Von Ulrich Windolph
Das war kein gutes Wochenende für die Welt: Die Signale, die von der Münchner Sicherheitskonferenz ausgingen, sind besorgniserregend. Mit seiner Rede hat der russische Präsident Wladimir Putin gezeigt, wo er Russland sieht: auf dem Weg zurück zur Weltmacht. Seine unverblümte Kritik an der Bush-Politik und seine Drohungen in Richtung USA mögen starker Tobak sein, aber sie waren wohlkalkuliert.
Die USA mitsamt ihrem republikanischen Präsidenten George W. Bush schwächeln und das schon seit einiger Zeit: Das Vorgehen im Irak ist in Amerika nicht weniger umstritten als im Ausland - selbst bei den Bündnispartnern. Ein Makel, der vor allem die Friedensbemühungen im Nahen Osten nachhaltig behindert. Israel kann sich seines Partners USA momentan einfach nicht sicher sein.
Aber auch in anderen Fragen - Stichwort Klimaschutz - wollen die Amerikaner partout nicht von ihrem Weg abrücken. Das mag aus eigenem ökonomischen Interesse richtig sein, bringt aber nicht nur Freunde. Das weiß Putin, das hat er jetzt geschickt genutzt.
Der erste Auftritt eines russischen Präsidenten bei der Sicherheitskonferenz wird so nachhaltig in Erinnerung bleiben. Dass sich allerdings ausgerechnet Putin zum Kritiker des »Weltpolizisten USA« aufschwingt, ist frech. Hätte doch der russische Präsident allen Grund, vor der eigenen Tür zu kehren. Tschetschenien-Krieg, die Morde an der Journalistin und Regimekritikerin Anna Politkowskaja sowie dem Ex-Agenten Alexander Litwinenko - Stichworte genügen, um die Mär vom »lupenreinen Demokraten« zu enttarnen.
Doch die neue russische Stärke ist mehr als die US-amerikanische Schwäche: Sie speist sich aus den riesigen Energievorräten des eigenen Landes und dem nicht weniger großen Energiehunger des Westens. Putin macht Politik mit Hilfe des Gashahns.
Die USA in schwerer See, Russland ohne Rücksicht auf Verluste auf dem Weg nach vorn: Die Welt ist unsicherer als gedacht, soviel steht seit Samstag fest. Daran ändern auch die beschwichtigenden Worte nichts, die US-Verteidigungsminister Robert Gates gestern - gezwungenermaßen - fand. Was aber bedeutet diese politische Großwetterlage für uns?
Europa muss es gelingen, auf der weltpolitischen Bühne stärker gehört zu werden. Eine Herkulesaufgabe, die in erster Linie Deutschland in Angriff nehmen muss. Mit der EU-Ratspräsidentschaft und der Führung der G7/G8-Staaten ausgestattet, sind vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gefragt. Am Wochenende ist dem Duo die Gratwanderung zwischen unmissverständlicher Stellungnahme und geschickter Diplomatie geglückt. Ein guter Anfang - mehr aber auch nicht, denn Arbeit gibt es mehr als genug.
Europa fehlt es an Handlungsfähigkeit, die es ohne einheitliche Verfassung und den Mehrheitsentscheid nicht wird erlangen können. Deutschland muss also einerseits Motor der einen europäischen Politik sein, und andererseits die guten Kontakte in die USA und zu Russland nutzen, um als Moderator aufzutreten.

Artikel vom 12.02.2007