12.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Die Seele wird verkauft«

Fußball in Italien: Geisterspiele und Schweigeminuten

Rom (dpa). Gespenstische Stille bei den vier »Geisterspielen« und bedrückende Schweigeminuten in den für Publikum geöffneten Arenen: Nach den tödlichen Krawallen von Catania rollte in Italiens Serie A wieder der Ball, den Spaß an ihrem geliebten »Calcio« haben die Italiener aber verloren.

»Der Fußball hat kein Herz mehr, wir haben unsere Seele verkauft«, klagte Coach Cesare Prandelli vom AC Florenz am 23. Spieltag, an dem Spitzenreiter Inter Mailand mit einem 2:0-Sieg in Chievo seinen Elf-Punkte-Vorsprung vor dem mit 3:0 gegen Parma siegreichen AS Rom verteidigte. In Florenz, Bergamo, Verona und Messina wurde vor leeren Rängen gespielt, weil die Stadien den von der Regierung am Donnerstag verschärften Sicherheitsvorschriften nicht entsprechen.
Der AC Mailand hatte nach fieberhaften Arbeiten an den bis vor wenigen Tagen noch fehlenden Einlasskontrollstellen in San Siro eine Sondergenehmigung erhalten. So konnten gegen Livorno zumindest die Dauerkartenbesitzer Ronaldos umjubeltes Debüt ab der 62. Spielminute beim 2:1-Sieg sehen. Den Pay-TV-Sender kostete der Tag hohe Einnahmen. »Aber die Sicherheit geht vor«, zeigten sich die TV-Stationen einsichtig.
Viele Fußball-Clubs dagegen sind kritischer: »Die Meisterschaft wird verfälscht«, schimpfte Atalanta Bergamos Präsident Ivan Ruggeri vor der ohne Publikum ausgetragenen Partie seines Clubs gegen Lazio Rom (0:0). Während einige Clubs bei Heimspielen Rückendeckung von ihren Anhängern bekämen, würden andere durch »Geisterspiele« geschwächt. Auch Lazio-Trainer Delio Rossi, der selbst dank des regelkonformen Olympiastadions in Rom nicht betroffen ist, zeigte Verständnis für die Verärgerung vieler Clubs: »Das ist ja wie ein Video-Spiel«, meinte Rossi beim Blick auf die TV-Bilder von den Zweitligaspielen vor leeren Rängen am Samstag.
Insgesamt wurden nach einer Berechnung der »Gazzetta dello Sport« am Wochenende 110 000 Fans ausgesperrt. Den Clubs seien allein dadurch 4 Millionen Euro an Eintrittsgeldern verloren gegangen. Wo vor Fans gespielt werden durfte, bemühte man sich um klare Zeichen gegen die Gewalt. Palermos Präsident Maurizio Zamparini lud kostenlos zum Spiel gegen Empoli (0:1) in die verwaiste Gästekurve Familien mit Kindern ein.

Artikel vom 12.02.2007