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Historischer Beschluss: Ende der
Steinkohle-Ära unumkehrbar

Keine betriebsbedingten Kündigungen - Weg für RAG-Börsengang frei

Düsseldorf (dpa). Der Ausstieg aus der subventionierten Steinkohleförderung in Deutschland ist aus Sicht der nordrhein-westfälischen Landesregierung unumkehrbar.
Ein Walzenschrämlader baut Steinkohle ab. Bundesregierung, NRW und Saarland, die Gewerkschaft IG BCE und der RAG-Konzern einigten sich auf einen Ausstieg aus der Steinkohleförderung. Foto: dpa
In einer Sondersitzung des Landtags sagte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gestern: »Sollte der Bundestag 2012 den Ausstiegsbeschluss aus energiewirtschaftlichen Gründen überprüfen, wird Nordrhein-Westfalen sich an den damit verbundenen Kosten nicht beteiligen. Es wird also keinen Sockelbergbau geben.« Auch die mitregierende FDP und die oppositionellen Grünen sprachen von einem historischen, endgültigen Ende der Steinkohle-Ära.
Dagegen betonte die SPD, ein Restbergbau bleibe möglich. »Es ist durchaus denkbar, dass die energie- und wirtschaftspolitische Situation in fünf Jahren so ist, dass die Steinkohleförderung auch über 2018 hinaus weiterbetrieben wird«, sagte SPD-Bundesparteichef Kurt Beck in Berlin.
Grundsätzlich begrüßten alle Parteien die Einigung, ebenso wie der Essener Bergbau- und Mischkonzern RAG und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE).
»Der Weg für den Börsengang ist frei. Das bietet dem Konzern und dem Ruhrgebiet sehr gute Zukunftschancen«, sagte eine RAG-Sprecherin. Ein konkreter Termin für den RAG-Börsengang wurde noch nicht genannt. Die IG BCE äußerte Erleichterung, dass ein Ausstieg 2014 endgültig vom Tisch sei.
Der Bund und die Kohleländer Nordrhein-Westfalen und Saarland hatten sich am Mittwochabend darauf verständigt, die subventionierte Kohleförderung 2018 zu beenden. Nordrhein-Westfalen muss nur noch bis Ende 2014 für die Kohle zahlen. Niemandem soll betriebsbedingt gekündigt werden.
Das Land wird nach Angaben von NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) durch den Kompromiss 740 Millionen Euro sparen, davon 468 Millionen bei den Absatzhilfen. Weitere 272 Millionen spare NRW, weil Rückstellungen für die Altlasten des Bergbaus vorgezogen werden und der Bund dadurch einen höheren Anteil übernehmen müsse als nach 2018.
Die Grünen zweifelten die Zahl Linssens an und verwiesen auf unkalkulierbare Kostenrisiken bei den Altlasten. »Es gibt noch ein dickes Ende, was die Finanzbelastungen angeht«, sagte ihr Kohle- Experte Reiner Priggen.
Die katholische und evangelische Kirche warnten vor einem »Strukturbruch« im Revier und verlangten zukunftsträchtige Jobs für die Betroffenen. Die RAG müsse die Ausbildungsplätze für 5000 junge Menschen und die Förderkurse für 600 Jugendliche erhalten. Der Bergbau habe einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufstieg in ganz Deutschland geleistet.
Die schwarz-gelbe Landesregierung will das Ruhrgebiet in eine hochkarätige Wissenschafts- und Forschungslandschaft verwandeln. Die Gelder, die durch den Ausstieg aus den Kohlebeihilfen frei werden, sollen für diesen Strukturwandel genutzt werden, kündigte Rüttgers an.
Die neue NRW-Vorsitzende der SPD, Hannelore Kraft, warf Rüttgers vor, keine klaren Konzepte zur Zukunft der Bergbau-Regionen zu haben. Sie hielt Rüttgers außerdem vor, seine Forderung nach 500 Millionen Euro an Strukturbeihilfen in Berlin nicht durchgesetzt zu haben.
FDP-Landtagsfraktionschef Gerhard Papke nannte die SPD-Kritik dreist. Ein besseres Verhandlungsergebnis wäre möglich gewesen, wenn Kraft dem Ministerpräsidenten nicht in den Rücken gefallen wäre, sagte Papke. Kraft habe wider besseres Wissen Bergleute aufgehetzt und eine Angstkampagne geschürt.
Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann warnte Kraft davor, mit der Forderung nach einem Sockelbergbau in den Landtagswahlkampf 2010 zu ziehen. »Mit uns wird es keinen Wiedereinstieg in die Kohlesubvention geben.«

Artikel vom 09.02.2007