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Polizeibesuch
in 119 Schulen
der Großstadt

Frühwarnsystem gegen Amokläufe

Von Jens Heinze und
Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Nach dem Raubüberfall auf die Klasse 11c des Helmholtz-Gymnasiums ist das Thema Gewalt an Schulen aktueller denn je. 119 Bildungseinrichtungen in der Großstadt - von der Grund- über die Gesamtschule bis zum Berufskolleg - erhalten jetzt Besuch von der Polizei.

Nach den Amokläufen von Erfurt und Emsdetten wollen die 36 Bezirksbeamten der hiesigen Ordnungshüter und die Experten vom Bielefelder Kommissariat Vorbeugung darüber aufklären, wie bei solchen Extremsituationen zu reagieren ist und, was noch viel besser ist, wie solche dramatischen Ereignisse verhindert werden können. »Wir wollen ein Frühwarnsystem für auffällige Kinder und Jugendliche installieren«, sagt Kriminalhauptkommissar Hans-Werner Christ (57), stellvertretender Leiter des Kommissariates Vorbeugung. Für diese Kultur des Hinsehens wollen die Ordnungshüter alle Mitarbeiter einer Schule erreichen - vom Hausmeister über die Sekretärin bis zu den Lehrern.
Alle 49 Grund- und die 70 weiterführenden Schulen der Großstadt sind im Vorfeld von der Polizei angeschrieben worden. Die ersten Besuche haben die Ordnungshüter absolviert, viele weitere werden noch folgen. »Die Schulen sind alle sehr kooperativ«, lautet die Zwischenbilanz von Oberkommissar Rösler (47), beim Kommissariat Vorbeugung zuständig für die Gewaltprävention und die Jugendkriminalität.
Die weiterführenden Schulen, wo überwiegend Jugendliche unterricht werden, seien die eigentlich gefährdeten. »Es ist aber nicht auszuschließen, dass jemand an einer Grundschule Amok läuft, weil vielleicht ein Vater sein Kind dort nicht unterbringen konnte«, erklärt Rösler, warum auch Erst- bis Viertklässler zu potentiellen Opfern werden können.
Was in den neun DIN A 4-Seiten umfassenden Verhaltensregeln für Lehrer im Falle eines Amoklaufes steht, das wollen Hauptkommissar Christ und Oberkommissar Rösler nicht verraten. Man wolle schließlich potentiellen Tätern keine Tipps geben, wie sie am besten agieren könnten.
Im Polizeipräsidium werden jetzt Objektakten mit Grundrissen und weiteren wichtigen Details der jeweiligen Schulen gesammelt, bestätigt Hauptkommissar Christ. Gleichzeitig seien die Verantwortlichen in den 119 Bildungseinrichtungen gehalten, »Konzepte im Umgang mit Amoklagen zu entwickeln«. So sollten Räume von innen gekennzeichnet werden, damit man im Ernstfall über Mobiltelefon der Polizei seinen genauen Standort mitteilen könne. Streife ein bewaffneter Amokläufer auf der Suche nach Opfern durch die Flure, sollten Schüler und Lehrer in den Räumen bleiben, Türen abschließen oder verbarrikadieren und sich auf den Boden legen.
»Den typischen Amokläufer gibt es nicht. Genauso wenig gibt es eine Checkliste, wie man ihn im Vorfeld erkennen kann«, betont Oberkommissar Rösler. Wie bei einem auffälligen Kind oder Jugendlichen im Einzelfall richtig zu reagieren sei, »das hat auch viel mit Bauchgefühl zu tun«. Auf jeden Fall könne es niemals schaden, die Polizei um Rat zu fragen. Wer den direkten Kontakt scheue, der könne auch der Internetwache seine Beobachtungen melden (www.internetwache.nrw.de).
Der direkte Draht zwischen Polizei und Schule - wie wichtig der ist, zeigt der aktuelle Fall vom Helmholtz-Gymnasium. »Wir bleiben mit der Schule im Gespräch«, versichert Erste Kriminalhauptkommissarin Heike Lütgert, Leiterin des Kommissariates Vorbeugung, nach dem Überfall auf die Klasse 11c. Bereits am Morgen nach der Tat waren Opferschutzbeauftragte der Polizei in der Schule an der Ravensberger Straße. Anfang kommender Woche ist das nächste Gespräch geplant.

Artikel vom 09.02.2007