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Mittler zwischen Leben und Tod

Das Theaterlabor inszeniert »Die Winterreise« von Franz Schubert

Von Uta Jostwerner
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Die Experimentierbühne und ein romantischer Liederzyklus? Auf den ersten Blick kann man es für einen Scherz halten, dass ausgerechnet das Theaterlabor Franz Schuberts »Winterreise« inszeniert. Doch Siegmar Schröder und Yoshi Oidas haben einen Weg gefunden, die Poesie von Text und Musik in eine eigene Theatersprache zu kleiden.

Die »Winterreise« ist von Trauer und Sinnlosigkeit des Daseins geprägt. Eine unglückliche Liebe ist der Auslöser für die Wanderschaft des Protagonisten, die in die innere Emigration und Hoffnungslosigkeit führt. In 24 Gedichten gelang Wilhelm Müller eine metaphorische Darstellung menschlichen Schmerzes und existenzieller Trauer, die von Schubert in unterschiedlichen Stimmungsbildern vertont wurden, die die Erstarrung der Seele zwischen trügerischer Freude bis hin zur Todessehnsucht repräsentieren. Die Begegnung mit dem Leiermann am Ende steht für Tod und Erlösung zugleich.
Der Leiermann indes dient den beiden Regisseuren als eine Art Mittler zwischen Leben und Tod. Er überbringt einer jungen Frau die Nachricht vom Tod ihres Geliebten und gibt ihr ein Heft mit seinen Aufzeichnungen. Es sind die 24 Lieder der Winterreise, anhand dessen sich die Frau ihrerseits auf eine Reise begibt, die den Spuren und Stimmungen des Toten folgt. Zwei weitere Figuren, die laut Schröder »die Lücken in der Geschichte füllen«, wurden in die Bühnenhandlung eingeflochten. Sie kommentieren die Geschehnisse, sie ritualisieren und verdichten die Handlung, die sich auf einer minimalistisch ausgestatteten Spielwiese vollzieht.
Entstanden ist ein experimentelles Stück Musiktheater auf der Grundlage eines klassischen Repertoirewerks. Schuberts Originalmusik wird zum Teil von dem ausgebildeten Barition Achim Hoffmann, zum Teil aber auch von den Schauspielern gesungen, was ihr die Aura des Weihevollen nimmt. Der Pianist Harald Kießlich übernimmt den Klavierpart.
Nach der »Frau in den Dünen« vor zehn Jahren ist die »Winterreise« die zweite Zusammenarbeit zwischen dem Theaterlabor und dem japanischen Regisseur Oida, dessen Inszenierungen als legendär gelten, weil sie sowohl vom asiatischen als auch vom westlichen Blick auf das Leben, auf Kunst und Theater geprägt sind. In den vergangenen Jahren hat Oida sich zunehmend Inszenierungen des Musiktheaters gewidmet. »Die ÝWinterreiseÜ wollte ich schon länger machen«, sagt der betagte Regisseur, der selbst immer gereist ist. »Zu reisen heißt, sich aus einer Gesellschaft herauszubegeben und auf das Sein zu konzentrieren«, verdeutlicht Oida seine Affinität zu dem Schubert-Zyklus.
Oida betont, sich des Werkes mit großem Respekt angenommen zu haben. Ihm geht es darum, Herz und Gefühl zu zeigen, wenn er menschliches Leben auf die Bühne bringt. Ein Blick in die derzeit laufende Probenarbeit verrät, dass ihm dies in einer minimalistisch geprägten und ungekünstelten Inszenierung zu gelingen scheint.
Es spielen Indira Heidemann, Michael Grunert, Thomas Behrend und Karin Wedeking. Für Ausstattung und Kostüme zeichnen Tom Dombrowski und Christin Vinke verantwortlich.
Die Premiere findet am Freitag, 16. Februar, 20 Uhr, im Theaterlabor statt. Weitere Vorstellungen am 17., 18., 28. Februar sowie am 1., 15., 16. und 17. März. Kartenvorbestellung telefonisch unter 28 78 56.

Artikel vom 10.02.2007