09.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kuranyi zeigt seinen Stolz

Auch ein neuer Riss macht deutlich: Die alten WM-Wunden sind vernarbt

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Düsseldorf (WB). Wer treffen will, muss leiden. Als äußeres Kennzeichen seiner Rückkehr in die Nationalmannschaft trug Kevin Kuranyi einen Riss auf der Stirn davon. Ein Merkmal, das nochmals in Erinnerung rief, wie sich der Schalker Stürmer vor der Weltmeisterschaft 2006 fühlte: Auch da hatte er »bluten« müssen.

Gegen den inneren Schmerz, nicht für dieses Turnier nominiert worden zu sein, kämpfte der 24 Jahre alte Kuranyi lange an. Dagegen tat der rot verkrustete Entwurf, den er nach dem 3:1-Sieg gegen die Schweiz oberhalb der Augenbrauen präsentierte, überhaupt nicht weh. Im Gegenteil: Auch damit zeigte der Schalker, dass die viel tiefere Wunde nun endlich vernarbt ist. »Ich bin stolz darauf, dass ich ein Tor geschossen habe und wieder dabei sein darf«, sagte der von seinem Comeback-Treffer gezeichnete Angreifer.
Beim Kopfball war Kuranyi gegen den Fuß des Schweizer Verteidigers Stéphane Grichting geprallt. »Er hat sich da richtig reingeworfen, er wollte das Tor unbedingt«, beschrieb Bundestrainer Joachim Löw die Anstrengung des Stürmers. Vielleicht musste es gerade so ein Tor sein. 15 schwere Monate kostete es Kuranyi, auf Länderspiel 35 endlich die Partie 36 folgen zu lassen. Und das sollten ihm die Leute nach dem Abpfiff dann ruhig auch ansehen.
Nur in ihn hinein sehen sollten sie nicht. »Ich habe viel gelernt in dieser Zeit«, sagte der Profi. Was das denn sei, wurde er gefragt. Doch da wirkte Kuranyi auf einmal nicht mehr so einsatzfreudig: »Das ist schwer zu sagen. Es ist auch besser, das bleibt mir.«
Nur Andeutungen gibt es. Das Verpassen der WM habe ihn weiter gebracht, ist eine davon. Kaum zu glauben eigentlich, trotzdem mag das stimmen. So sang- und klanglos wollte Kuranyi nicht in der Versenkung verschwinden. Es passte ausgezeichnet, dass sich in der immer stärker werdenden Schalker Mannschaft auch ihm die Gelegenheit zur Steigerung bot.
Löw hat das registriert und reagiert. Und als sich die Bremer Nationalspieler am vergangenen Sonntag nach der 0:2-Niederlage gegen Schalke per Kleinbus auf den Weg nach Düsseldorf machten, stieg auch Kuranyi zu. Aus Sicherheitsgründen geschah dies kleinlaut. Die Mitinsassen hatten schließlich gerade die Tabellenführung in der Liga verloren.
Sehr viel lautere Töne waren auch nach der gelungenen Wiederaufnahme in die DFB-Vertretung nicht von Kevin Kuranyi zu hören. Er kann nur abwarten und will nichts erwarten: »Ich habe mich wieder herangearbeitet. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.« Gegen die Tschechen in der EM-Qualifikation ist aufgrund der Sperre von Miroslav Klose zumindest ein stürmisches Plätzchen vakant. Hoffnungen macht er sich zwar, eine hohe Nummer für Deutschland ist er einstweilen aber nur auf dem Trikot. Kuranyi steigerte sich von seiner bevorzugten »22« aus früheren Tagen zur »31« in der LTU-Arena. In diesen Regionen werden meistens nur Neulinge aufgelistet. Oder wie in seinem Fall Spätheimkehrer. Kuranyi nimmt es mit Humor, ungewöhnlich beziffert zu sein: »Ich habe in der Kabine gesagt: Vielleicht schaffe ich es bis zum nächsten Mal ja schon wieder bis zur 27.« Das wäre ein Schritt.
Auch Löw hat den früheren Stuttgarter gelobt für die Leistung in Düsseldorf und schloss Mario Gomez gleich mit ein. Dem Neuling war das 2:0 gelungen, und nicht nur die »32« auf seinem Spielhemd deutete die gute Nachbarschaft an, die Kuranyi und er auf dem Rasen demonstrierten.
Gemeinsame Wettkampfpraxis sammelten sie beim VfB zwar nur selten, »ich war ja zu der Zeit noch sehr jung«, sagte Gomez. Doch er übte schon regelmäßig im Training mit Kuranyi. Sollte der Schalker aus alter Verbundenheit bei Gomez noch einen VfB-Sieg am Samstag über den SV Werder »bestellt« haben, dann wird er diese Order wohl abseits der Bremer Ohren vorgetragen haben. Bei seiner Rückkehr in die Nationalmannschaft wollte es sich Kuranyi schließlich mit niemandem verderben. Zu mulmig die Sache: »Ein komisches Gefühl ist es doch, wieder dabei zu sein.«

Artikel vom 09.02.2007