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Bei »Guantanamera« ist
Pablo in seinem Element
Weltkulturerbe Trinidad und Santiago: der musikalische Osten Kubas
Immer dem Klang der Trommel folgen! Wenn das Klickern der Schuhe auf dem Kopfsteinpflaster allmählich im schnellen, harten Rhythmus der Congas untergeht, befindet man sich auf dem richtigen Weg durch das Weltkulturerbe Trinidad.
Die Stadt am Fuß der Sierra del Escambray, einst ein berühmt-berüchtigtes Piratennest, verfügt nach der Hauptstadt Havanna über das größte zusammenhängende Ensemble kolonialer Bauten auf Kuba.
Vielleicht scheint ja auch irgendwo eine trübe Funzel und man kann die Schemen der Kubaner erahnen, die sich aus dem Schatten der kunstvoll vergitterten Hauseingänge lösen und ebenfalls nur ein Ziel kennen, mag es nun die Treppe neben einer Kirche oder ein Lokal sein - oder eben eine der Bars, dessen Patron nie auf den Gedanken käme, seine Gäste mit CD-Musik zu berieseln. Kuba ist Rhythmus, ist Livemusik, ist Lebensfreude!
Pablos Instrument ist seine Stimme. Wenn seine Freunde »Chan Chan« intonieren, spielt er zwar die zweite Trompete. Aber erst, wenn der schmächtige Mann aus Trinidad »Guantanamera« schmachten darf, ist er in seinem Element. Diese zwei Lieder dürfen nicht fehlen - niemals! Man kann ihnen ebenso wenig entgehen wie Kubas heimlicher Nationalhymne »Hasta Siempre«, der schmalzigen Hommage an den hübschen Revoluzzer Che Guevara, der von jedem Postkartenstand lächelt.
Am ursprünglichsten ist die Musik übrigens, wenn wieder mal ein Stromausfall die Stadt lahmlegt: Dann muss das Keyboard ausgeschaltet bleiben und wird durch Querflöte, Trompete und Gitarre ersetzt - und mit dieser akustischen Begleitung mundet der »Canchanchara«, ein Cocktail aus Rum, Honig, Zitrone und Wasser, gleich doppelt gut.
Trinkfest muss sein, wer sich auf das Abenteuer Kuba einlässt. Mojito, Cuba libre, Daiquiri & Co. schmecken einfach zu gut, als das man sie ignorieren könnte. Und sie gehören zu jeder Besichtigung einfach dazu, ob man nun die Tänze eines Folklore-Ensembles in Sancti Spiritus, die Darstellungen vom Leben der Sklaven in der Zuckerindustrie unterhalb des Wachtturms von Iznaga oder das Abendessen in einem der Kolonialhäuser von Trinidad genießt.
Böse Zungen behaupten, den Sozialismus und das fade Essen auf der Zuckerrohrinsel könne man ohnehin nur unter Zugabe von reichlich Alkohol ertragen - und tatsächlich ist Kuba heute wie ein großes Freilichtmuseum des Kommunismus, eine der letzten Bastionen der Lehre von Marx und Engels.
Stromausfälle lassen sich als Urlauber ja noch verkraften, weil die für den Tourismus relevanten Gebäude manchmal eine unabhängige Versorgung haben. Wenn man dann aber im Hotel »Brisas Santa Lucia« morgens aufwacht und das Wasser ist abgestellt, hilft nur noch Galgenhumor. Wirklich ärgerlich sind dann aber plötzliche Routenänderungen für die geplanten Rundreisen. Mehr als ein dubioses »Es wurde beschlossen, dass...« ist vom staatlichen Reiseleiter und dem Aufpasser des Tourismusministeriums nicht zu hören.
Die deutschen Reiseveranstalter sind machtlos, wenn plötzlich aus Havanna Hotelwechsel und der Austausch von Besichtigungsprogrammen angeordnet werden.
Man kann also nur hoffen, dass auf den ansonsten hervorragenden Rundreisen, wie sie zum Beispiel die TUI durch Kubas Osten anbietet, nicht plötzlich der Besuch in Santiago, sondern »nur« der Aufenthalt in Camagüey, der Stadt der Tonkrüge, gestrichen wird. Denn wer richtig in die Musikszene Kubas eintauchen will, der muss in Santiago gewesen sein.
Santiago de Cuba war einst die Hauptstadt der Insel, wurde durch Zucker- und Sklavenhandel reich und kulturell dank französischer und haitianischer Flüchtlinge belebt. Legendäre Musiker wie Compay Segundo und Ibrahim Ferrer vom »Buena Vista Social Club« wurden in Santiago geboren, ihr »Son de la loma« ist bis heute die weltbekannte Hymne dieser Stadt.
Das »Casa de la trova« ist die wohl legendärste Spielstätte. Dort treffen sich abends die Touristen, nachdem sie tagsüber auf dem Friedhof Santa Ifigenia das schlichte, nur mit der Nummer 12 gekennzeichnete Grab von Compay Segundo besucht und auch Kubas Nationalhelden José Marti gehuldigt haben.
Der Osten Kubas ist aber auch ein Badeziel: Das Strandhotel »Paradisus Rio de Oro« in Guaradalavaca hat das Etikett »Kubas beste Herberge« wahrlich verdient - mit verschwiegenen Buchten, gemütlichen Zimmern und luxuriösen Villen, erstklassigem (komplett importiertem) Essen sowie seit Sommer 2006 einem Spa. Und dennoch: Manchmal ist auch dort am Abend nicht einmal mehr der Nationaldrink »Mojito« erhältlich - wenn der Limonen-Nachschub wieder nicht geklappt hat.
Aber wer vom Baden mit Delfinen aus der Nachbarbucht zurückkommt, schwimmt ohnehin auf einer Woge des Glücks und braucht keine flüssigen Stimmungsmacher mehr...
Thomas Albertsen

Artikel vom 17.02.2007