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Kraft der Weiche muss stimmen

FH-Diplomanden entwickeln Prüftisch für Stadtwerke-Tochter mobiel


Bielefeld (sas). Die Linie 1 verlässt den Hauptbahnhof Richtung Schildesche. Direkt nach ihr legt die 3 ab - zum Nordpark. Dafür, dass sie wirklich auf den richtigen Kurs gebracht wird und nicht der 1 nach Schildesche folgt, sorgt eine Weiche. Die wird vom Stellwerk aus gesteuert und von einem kleinen Motor bewegt. Dieser Antrieb, der etwa 250-mal am Tag gefordert ist, muss regelmäßig überprüft werden. Bislang hat die Stadtwerke-Tochter mobiel ihn ausbauen und nach Essen schicken müssen. Jetzt ist man autark - dank zweier Absolventen der Fachhochschule Bielefeld.
»Wir hatten schon seit Jahren Interesse an einem eigenen Weichenprüftisch«, sagt Wilhelm Henning, Leiter der E-Technik bei mobiel. Was lag also näher, als Studenten der FH mit der Entwicklung einer solchen Anlage zu beauftragen. Patrick Oliver Battré und Hendrik Bovensiepen sind die beiden frischgebackenen Ingenieure der Elektrotechnik, die sich im Rahmen ihrer Diplomarbeit der Aufgabe gestellt haben; betreut wurden sie von Prof. Dr. Franz Quante. Er und auch die Fachleute von mobiel waren von dem Ergebnis begeistert.
45 Weichenantriebe sorgen in und vor den Stadtbahntunneln für den reibungslosen Ablauf, drei weitere liegen sozusagen auf Halde und werden immer dann eingesetzt, wenn andere zu nächtlicher Stunde ausgebaut werden müssen, um sie zu überprüfen. Diese Kontrolle (und Wartung) wird künftig zügig gehen: Die Antriebe werden nicht mehr im Dreierpack nach Essen geschickt, sondern können in Minutenschnelle auf einem Prüftisch auf dem mobiel-Gelände in Sieker auf Herz und Nieren getestet werden. »Wichtig ist die Messung der Stellkräfte und auch der Festhaltekräfte«, erklärt Battré. Letztere verhindern, dass eine Weichenzunge von einer von vorne kommenden Bahn vom Gleis gelöst wird. »Denn dann könnte die Bahn entgleisen.« Nebenbei werden die Motorströme des Antriebs kontrolliert und ebenfalls in einem Prüfprotokoll festgehalten.
Mehr als 500 Meter Kabel sind in der Anlage gezogen, 200 Klemmen ordnen sie zu. Der Prüftisch - mit Sicherheitshaube und Notstopp - ist massiv und fest im Boden verankert. 95 000 Euro würde ein solches Messgerät auf dem Markt kosten, schätzt Henning - bei den renommierten Herstellern wahrscheinlich gar ein Vielfaches. Die Stadtwerke haben die Diplomanden finanziell unterstützt. Welche Summe genau sie investiert haben, mag Henning nicht sagen. »Aber in drei bis vier Jahren dürfte sich das amortisiert haben.«
Die Entwicklung des Prototyps könnte auch auch für Battré und Bovensiepen lohnen: Die Ingenieure - derzeit im Rahmen eines Forschungsprojektes über intelligente mechatronische Systeme für ein weiteres Jahr an der FH angestellt - arbeiten an einer Weiterentwicklung und an der Marktreife. »Immerhin sind bundesweit 30 000 Weichenantriebe dieses Typs im Einsatz«, sagt Bovensiepen. Der Vorgängertyp ist sogar noch verbreiteter: 100 000 Modelle hat allein die Deutsche Bahn in ihr Schienennetz eingebaut. Und alle Weichenantriebe müssen per Gesetz regelmäßig überprüft werden . . .

Artikel vom 09.02.2007